© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/17 / 20. Oktober 2017

Frankreich: Nationale Erziehung ohne Nationalgeschichte
Globalisierte Historie
(dg)

Der liberale Soziologe Alfred Weber stellte schon 1925 fest: „Frankreich ist kein europäischer Staat mehr.“ Ein Befund, zu dem neunzig Jahre später auch die in Marokko geborene Sozialistin Najat Vallaud-Belkacem gelangte, François Hollandes schrille Bildungsministerin. Die deswegen von ihr konsequent in Angriff genommene Reform, die aus der Schule einen „Hort der Gleichheit“ machen wollte, sah eine rigorose Schrumpfung „elitärer“ europäischer Bildungsinhalte an Frankreichs Gymnasien vor, primär den Abbau des altsprachlichen Unterrichts, sowie, bereits von ihren Amtsvorgängern eingefädelt, die globalistisch-multikulturelle Neuausrichtung des Curriculums fort von Europa, hin zu Afrika und zum Islam. Wie der Historiker Laurent Wetzel klagt, wolle Emmanuel Macrons neuer Bildungsminister, der Jurist Jean-Michel Blanquer, diesen Kurs nicht wesentlich korrigieren (La Nouvelle Revue d’Histoire, 92/2017). Auch Blanquer, der bereits während Sarkozys Präsidentschaft die Fäden im „Ministerium für nationale Erziehung“ zog, habe sich klar gegen die Vermittlung des „Narrativs der Nation“, gegen „Ereignisgeschichte“ und „bloß erzählende Chronologie“ ausgesprochen. Selbst der „Große Krieg“ (1914–1918) stehe zur Disposition, da sein memorialer Wert im Kontext einer Unterrichtseinheit „totalitäres Zeitalter und totale Kriege“ relativiert werde. 


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