© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/17 / 20. Oktober 2017

Zeitschriftenkritik: Zeno
Toleranz: lieber einfordern als ausüben
Werner Olles

Unter dem Begriff „Toleranz“ versteht man laut Herders Volkslexikon „Gewährenlassen, Duldsamkeit, besonders auf religiös-politischem Gebiet. Im Gegensatz zum Indifferentismus führt Toleranz bei unbeirrbarem Festhalten an der eigenen Überzeugung zur Achtung und Bemühung im Verständnis für den, der diese Überzeugung nicht teilen kann.“ Joachim Vahland, Mitherausgeber der Jahreshefte für Literatur und Kritik „Zeno, sieht in der aktuellen Ausgabe (Heft 17/2017) die „Toleranzdiskurse“ in Anlehnung an Schopenhauers Mahnung, daß Moral predigen leicht, sie zu begründen schwer sei, „eine Reflexmoral von seminargeschulten Intellektuellen, die unter Anerkennung gewisser begrifflicher Eigenarten am Ende doch keinen Zweifel aufkommen lassen, daß, anders als ihr Widerpart, allein eine tolerante Haltung diskursiv legitimierbar“ sei. Vahland zitiert Paul Feyerabends Weigerung, „selbst einen extremen Faschismus zu verurteilen, und (…) auch ihm eine Lebensmöglichkeit zu geben“.

Das Schwerpunktthema „Toleranz“ beschäftigt auch Michael Rumpf, Mitherausgeber von Zeno, in seinen Aphorismen „Sandpapier“: „Das Eigene ist nicht eigen, weil es besser ist, sondern es ist besser, weil es eigen ist.“ Gespickt mit eloquenten Anspielungen auf einen Zeitgeist, der seine besten Zeiten hinter sich hat, finden sich Kleinode wie dieses: „Entfernung von den Siebzigern: Niemand will mehr dem Volke dienen. Geschweige denn, ihm angehören.“ Sehr schön auch: „Aus dem Recht, sein Glück zu suchen, wurde der Anspruch, es geliefert zu bekommen.“ Und: „Es ist leichter, eine Kultur zu tolerieren als einen Nachbarn.“

Jakob Ossner, ein weiterer Mitherausgeber, sieht im Relativismus eine „Schlafzimmer-Weltanschauung“, die in Ruhe gelassen werden möchte und gern alle schlafen lasse. In der Toleranz sieht er eine „Kampf-idee, die Macht nicht durch Bekriegung, sondern durch Duldung zu erhalten: Man sollte sich also nicht wundern, wenn sie wie eine Religion mit Toleranzmessen, Toleranzpredigten, Toleranzlitaneien ausgeübt wird.“ Noch einmal Michael Rumpf über „Toleranz und Relativismus“. Toleranz werde lieber eingefordert, als sie auszuüben. So schon Nietzsches Verdikt: „… nur die überlegene Kraft kann richten, die Schwäche muß tolerieren.“ Umberto Eco habe in seinen „Vier moralischen Schriften“ formuliert: „Hinnahme des Untolerierbaren stellt die eigene Identität in Frage. Man muß die Verantwortung auf sich nehmen, zu entscheiden, was untolerierbar ist, und dann handeln in der Bereitschaft, den Preis für einen Irrtum zu zahlen.“

In seinem Beitrag „Geschuldete Antworten“ befaßt sich der griechische Philosoph Kondylis mit der Frage, „warum die Verheißungen der Moralphilosophen und ihrer Theorien bis zum heutigen Tag nicht in Erfüllung gegangen (sind)?“ Seine Antwort: „Diese Systeme verkörpern keinen Machtanspruch und keine Ideologie.“ Die Haltung der Moralphilosophen sei „listig und naiv“.

Kontakt: Universitätsverlag Rhein und Ruhr, AZB, Hoogeweg 100, 47623 Kevelaer. Das Einzelheft kostet 15 Euro, im Abo 12 Euro. 

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