© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/17 / 06. Oktober 2017

Gegen den Strich bürsten
Das Medienprojekt „Addendum“ des „Red Bull“-Gründers Dietrich Mateschitz ist gestartet
Ronald Berthold

Sein Energy-Drink „Red Bull“ hat den Österreicher Dietrich Mateschitz reich gemacht. Nun steigt der Mann, der sich gegen ein „linkes Meinungsdiktat“ wehrt, in den Journalismus ein. In der vergangenen Woche ist das von seiner „Quo Vadis Veritas“-Stiftung finanzierte Medium „Addendum“ (deutsch: das „Hinzuzufügende“) online gegangen. Untertitel: „Das, was fehlt“.

Den ersten großen Schwerpunkt bildet ein Thema, zu dem es mit Blick auf die meisten Leitmedien tatsächlich einiges hinzuzufügen gibt: „Asyl“. 20 Beiträge hat das Team dazu in der ersten Woche veröffentlicht. So soll es weitergehen: Jede Woche legt die Redaktion den Fokus auf einen Mißstand, den sie in zahlreichen geschriebenen und visuellen Beiträgen bearbeitet.

Ziel sei es, die „Faktenbasis für eine qualifizierte politische Debatte“ wiederherzustellen. Die Mannschaft, für die bereits 40 Menschen arbeiten, spricht von „rekonstruktivem Journalismus“, der der Wahrheit „so nahe wie möglich kommen“ solle. Zwölf Mitarbeiter haben allein das Thema „Asyl“ recherchiert. Und „Addendum“ präsentiert in dieser Multimedia-Recherche Zahlen, die nicht bekannt waren. Allerdings konzentriert sich die Arbeit bisher auf Österreich.

Lücken im investigativen Journalismus schließen

Mateschitz kleckert nicht, er klotzt. Der Selfmade-Milliardär hat ausgezeichnete Journalisten aus der gesamten Alpenrepublik engagiert. „Addendum“-Geschäftsführer Michael Fleischhacker war Chefredakteur der Presse sowie der Österreich-Ausgabe der Neuen Zürcher Zeitung. Das Rechercheteam leitet Rainer Fleckl, der aus der Chefredaktion des Nachrichtenmagazins News kommt. Nach 15 Jahren hat auch der bekannte Moderator Martin Thür seinen Sender ATV verlassen, um bei „Addendum“ vor allem für die Videobeiträge zu arbeiten.

Ein breites Publikum erreicht die neue Rechercheplattform durch die Kooperation mit dem ebenfalls dem „Red-Bull“-Gründer gehörenden Fernsehsender „Servus TV“. Jeden Donnerstag um 21.15 Uhr läuft dort eine 50minütige TV-Reportage zum „Addendum“-Schwerpunktthema. Der Anspruch sei es, „hinzuschauen, wo andere vielleicht nicht hinschauen können“. Oder wollen. Das Projekt wird mit seinen gegen den Strich gebürsteten Geschichten eine Lücke im Journalismus füllen.

Dietrich Mateschitz hatte sich im Frühjahr massiv über die Medienlandschaft beklagt: „Man will den unmündigen, kritiklosen und verängstigten Staatsbürger.“ Im Blick hatte er dabei vor allem die Flüchtlingskrise. Schon früh sei „für jeden offensichtlich gewesen“, daß die meisten Einwanderer „nicht der Definition des Flüchtlings“ laut Genfer Konvention entsprochen hätten. Eine „selbsternannte sogenannte intellektuelle Elite“ habe es aber verboten, dies offen zu sagen. Es sei „schnell Schluß mit Meinungsfreiheit, denn die wird ja nur gewährt, solange man dieselbe Meinung vertritt wie sie“. Niemand traue sich mehr, die Wahrheit zu sagen. „Der Großteil der Bürger hat mittlerweile Angst.“ Mit diesen Äußerungen erntete der 73jährige heftige Kritik. Der Focus unterstellte ihm ein „krudes Weltbild“. Und ohne, daß „Addendum“ überhaupt erschienen war, versuchten Journalisten bereits das Rechercheportal in Anlehnung an die rechte US-Internetzeitung „Breitbart“ als „Bullbart“ zu diffamieren. Zum Start nannte die Süddeutsche Zeitung das Medium „Breitbart aus den Alpen“. Mateschitz ficht das nicht an. Er sagt, die Kritik stamme von Leute, „deren Lob mich mehr stören würde“.

„Addendum“ kommt schon zu Beginn sehr professionell daher. Es bietet ein Alleinstellungsmerkmal, das unter etablierten Medien sicherlich – wenn auch wahrscheinlich klammheimlich – Nachahmer finden wird: das anonyme Hochladen. Hier können Informanten unerkannt vertrauliche Dokumente oder Informationen einreichen, die Skandale aufdecken: „Ganz besonders interessieren uns Hinweise und Dokumente zu Korruption, Betrug, Geldwäscherei und Machtmißbrauch“, sagt Geschäftsführer Fleischhacker. Denn: „Mißstände gedeihen dort am besten, wo Intransparenz herrscht.“ Er unterstreich damit, ein Recherche- und kein Meinungsmedium betreiben zu wollen.

Eine inhaltliche Einmischung durch Mateschitz werde es nicht geben. „Wir haben die Freiheit, Recherchen in einer Art und Weise aufzubereiten, die ein Verhalten voraussetzen, das den Dingen wirklich auf den Grund gehen will“, betont der zweite Geschäftsführer, Niko Alm. Als Marketing-Unternehmer saß er für die liberale Partei NEOS (Das Neue Österreich und Liberales Forum) von 2013 bis März dieses Jahres im österreichischen Parlament. 

Die „Addendum“-Redaktion möchte den investigativen Journalismus, der im deutschsprachigen Raum bisher eher links geprägt ist, vorantreiben und bei den „Lesern, Usern und Sehern den Gedanken auszulösen: ‘So habe ich das noch nie gesehen!’“ Und das können alle. „Addendum“ wird komplett werbefrei und ohne Bezahlschranke bleiben.