© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/17 / 06. Oktober 2017

Geklebte Antifa-Phantasien
Aufkleberflut: Die Geschäfte mit dem linken Haß blühen / Mangelhafte Strafverfolgung
Walter T. Rix

So unausweichlich wie die Grafitti im öffentlichen Raum sind, so eingehend haben sich verschiedene Disziplinen mit ihnen beschäftigt. Soziologen und Kunstgeschichtler haben ihnen umfangreiche Studien gewidmet. Die Stencil-Grafitti von Banksy erlangen auf Auktionen schwindelerregende Preise. Die politischen Wandgemälde in Nordirland, die sogenannten Murals, haben ein weltweites Interesse gefunden. Und die insbesondere im Berliner Raum angeklebten Sprüche einer Person, die sich „Barbara“ nennt, lösten in den Medien geradezu Euphorie aus und haben im Juli 2016 sogar zur Verleihung des Grimme-Online-Preises geführt.

Dagegen hat man den kleinen Klebezetteln, die nicht weniger präsent sind, bislang keine kritische Beachtung geschenkt. Gemeint sind die Sticker mit ihren Botschaften. Man könnte sie auch als die Piranhas des Bewußtseinskampfes bezeichnen, denn sie schwärmen überallhin aus und beißen sich dort fest.

Daß man sich mit diesen kleinen Klebeetiketten bislang nicht eingehender auseinandersetzte, ist um so erstaunlicher, da die ersten bereits 1867 bei einer Kampagne des Pariser Kaufhauses „Au Bon Marché“ aufgetaucht sein sollen. Aber erst seit etwa 20 Jahren erscheinen sie in Masse auch bei uns als ein neues politisches und soziologisches Phänomen.

Sie verbinden im Kleinformat das Anliegen des Grafitto, die Aussage des Flugblattes und die Mitteilung des Plakates, ohne deren jeweilige Nachteile in Kauf nehmen zu müssen. Man kann eine große Zahl leicht transportieren und im Vorbeigehen unbemerkt ankleben, ohne dabei Gefahr zu laufen, als Urheber dingfest gemacht zu werden. 

Der politische Untergrund tritt an die Oberfläche

Offensichtlich sind sie Zeugnisse einer höchst mobilen und heterogenen Gesellschaft, die auch bei prinzipiellen Friktionen den Einzelakteuren sehr viel Spielraum läßt. Sieht man einmal von den Stickern für Kinderalben ab, die einer ganz anderen Kategorie zuzurechnen sind, so fällt auf, daß kaum Sticker mit kommerzieller Werbung in Erscheinung treten.

Vergleicht man die Aussagen und Appelle der Sticker miteinander, so hat man den Eindruck, daß hier Botschaften aus dem politischen Untergrund an die Oberfläche treten.

Dort, wo sich die Menschen auf bestimmte Räume konzentrieren, tauchen auch die Sticker in größeren Mengen auf. So erreichen sie nicht nur eine möglichst große Zahl von Betrachtern, sondern durch ihre Flut können sie auch suggerieren, daß hinter ihren Forderungen ernstzunehmende Kräfte stehen.

Die wohl beliebtesten Anbringungsorte für Aufkleber sind Hochschulen und Universitäten, weil sich damit die Hoffnung verbindet, hier am wahrscheinlichsten in die Köpfe von jenen zu gelangen, die zukünftig nicht der politischen Lethargie des Normalbürgers anheimfallen. Dies gilt insbesondere, wenn der Bildungskanon die Adressaten bereits in entsprechender Weise vorgeprägt hat. 

In so manchen deutschen Universitäten finden sich auf den Toiletten, je nach Reinigungsdienst, ganze Sedimentationen von Aufklebern. Sie dringen so in ziemlich private Bereiche vor und sprechen den Passanten oftmals auf „Augenhöhe“ an, indem sie im direkten Blickfeld angebracht sind. Das gilt für Fahrstühle, Automaten, Druckampeln und Türen. Wenn man auf einer Rolltreppe zu einer U-Bahnstation herabgleitet und dabei seinen Gedanken nachhängt, kommt man gewöhnlich nicht umhin, von diversen Stickern angesprochen zu werden.

Gut im Geschäft ist hier zum Beispiel der Recklinghauser Onlineshop für „Musik & Gegenkultur, Button-Produktion und Textilbedruckung, Anarchie, Anarchismus, Anti-Krieg, Antifa, Antikapitalismus“. Im Programm: alles, was das Herz der Linksextremen höher schlagen läßt. „Refugees-Solibänder“, ein Armband mit der Aufschrift „Fuck Nazis“ , Sturm- und Anarcho-Feminismushauben, „Fuck Cops“-Shirts, G20-Soli-Turnbeutel, die LP „Wypierdalac“ der linksextremen polnischen Antifa-Punkband Limp Blitzkrieg, den veganen „Algen-Brotaufstrich nach Leberwurst Art“ für nur vier Euro und natürlich Aufkleber. 

2.000 „Gegen Nazis“-Aufkleber für 55 Euro. Die Botschaft „Kein Mensch ist illegal“ – 30 Stück nur ein Euro. Das gleiche kosten 30 Aufkleber „Good Night White Pride Einhorn Regenbogen“. Bei der Hamburger Konkurrenz vom DirAction-Kollektiv gibt es bereits das „FCK AFD-Sticker-Pack“ (100 Stück statt drei „nur noch“ 1,50 Euro).

Selbstredend machen Antifa-Shops  „ausdrücklich darauf aufmerksam“, daß Aufkleber und Plakate nur dort angebracht werden dürfen, wo ein Einverständnis des Eigentümers vorliege. Eventuelle rechtliche Folgen unerlaubten Plakatierens oder Klebens trage derjenige, der eine solche Aktion organisiert beziehungsweise durchführt. Bei der Weitergabe von Plakaten oder Aufklebern seien die Empfänger auf die Rechtslage hinzuweisen.

Ein florierendes Geschäft. Kein Wunder, daß den Stickern im allgemeinen nichts Dilettantisches anhaftet. Ihre Gestaltung liegt ganz offensichtlich in den Händen von Könnern und zeugt von hoher Professionalität. Layout, Typographie, Farbwahl, Symbolverwendung und Parole bilden in der Regel eine wirkungsvolle Einheit.

Fast scheint es höchste Zeit, daß sich die Kunsthistoriker nach den Grafitti auch diesem Metier annehmen. Häufig werden Elemente der Populärkultur oder auch Kultfiguren als Transportmittel der Aussage eingesetzt. Das kann nicht allein dadurch erklärt werden, daß im Internet zahlreiche Firmen die Sticker-Gestaltung anbieten. 

Dahinter stehen Geister, die genau wissen, was und zugleich wie sie ihr Ziel erreichen wollen. Nicht zuletzt ist das massenhafte Anbringen der Aufkleber auch eine finanzielle Frage. Auch bei einer Massenauflage ist ein eindrucksvoller Sticker nicht unter 10 Cent herzustellen. Je nach Gestaltung, Laminierung oder Klebekraft kann er auch erheblich teurer werden.

Bei aller Unterschiedlichkeit des Erscheinungsbildes liegt der Anwendung dieser kleinen Aufkleber eine Doppelstrategie zugrunde. Als Vorhut vor allem linker oder linksextremer ideologischer Absichten durchbrechen sie eine Trennungslinie zwischen dem, was im politischen Diskurs noch sagbar ist, und dem, was aufgrund seiner Radikalität auf der etablierten politischen Bühne nicht gesagt werden darf. Einerseits propagieren sie damit die politische Korrektheit, indem sie deren Vorgaben wie Kampf gegen Rassismus, Homophobie oder Faschismus als Waffe gegen andere Meinungen einsetzen. 

Andererseits setzen sie sich über die politische Korrektheit hemmungslos hinweg, indem sie die Schranken des Legitimen planmäßig durchbrechen und so den Boden für Veränderungen vorbereiten, ja selbst zum Haß anstacheln.

Dies geht bis zu einem psychopathologischen Selbsthaß, wenn sie verkünden: „Deutschland in den Rücken fallen“, „Nie wieder Deutschland!“ oder „Deutschland verrecke!“ In unserer Zeit sind die Sticker die kleinen Partisanen des Bewußtseins-, Klassen- und Gegen-Rechts-Kampfes der linksextremen Antifa oder die Stadtguerilleros im papiernen Kleinformat.





Guerilla-Promotion

Guerilla-Marketing – Guerilla-Promotion. Diese Wortschöpfung wird dem  US-amerikanischen Marketing-Experten Jay C. Levinson zugeschrieben, der im Jahr 1984 ein Buch mit dem Titel „Guerilla-Marketing-Handbuch“ herausgab. Im Mittelpunkt steht hier das Motto: Geringer Mitteleinsatz – große Wirkung. Guerilla-Promotion (Wildbekleben) findet dabei oft, zum Teil auch illegal, auf öffentlichen Flächen statt. „Oft wird beim Kleben gar nicht daran gedacht, daß eigentlich alles draußen fremdes Eigentum ist“, unterstreicht die Berliner Aufkleber firma „DeineStadtKlebt.de – Ein Projekt der Hauptstadtader GmbH“. Dabei könne es sich um Privateigentum anderer handeln (Klingelschilder, Fenster, Autos) oder Eigentum von Firmen (Gerüste, Haltestellen) sowie auch Eigentum der Stadt oder des Landes (Laternen, Straßenschilder). „Grundsätzlich“ könne man jedoch „nicht fest sagen, ob etwas als Ordnungswidrigkeit oder Sachbeschädigung“ gelte. Das könne in „jedem Fall anders sein“. In vielen Fällen, so die Berliner Spezialisten weiter, passiere „auch gar nichts“, da nicht nachvollziehbar sei, „wer was irgendwo hingeklebt“ habe. Zudem würden viele Fälle „gar nicht nachverfolgt, da der Aufwand sehr hoch“ sei. Streitthema sei auch manchmal, ob es sich bei der Wildverklebung „‘nur’ um Verschmutzung oder wirklich eine Sachbeschädigung“ handele.