© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/17 / 06. Oktober 2017

„Kommt der Crash, benötigen Sie Cash“
Finanzliteratur: Der Investmentberater Thorsten Schulte analysiert den Kontrollverlust in Merkel-Deutschland und der EU / Rettungsanker Edelmetall?
Ludwig Witzani

Manche Bücher kennt man bereits, bevor man sie gelesen hat. So erging es 2010 Angela Merkel mit Thilo Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“: „Solche schlichten Pauschalurteile sind dumm und nicht weiterführend“, verkündete die Kanzlerin via Bild am Sonntag. Und fast prophetisch erklärte die CDU-Chefin, „diejenigen, die zu uns kommen und in unserem Land leben wollen“, würden uns alle „bereichern“. Das verhinderte Sarrazins Millionenerfolg nicht – vielleicht im Gegenteil.

Auch Rolf Peter Sieferles posthumer Essayband „Finis Germania“ startete erst dann richtig durch, als es im Deutschlandfunk als „miserables Buch“ gebrandmarkt und klammheimlich von der Spiegel-Bestsellerliste für Sachbücher verschwand – weil es „rechtsradikal, antisemitisch, geschichtsrevisionistisch“ sei, wie die stellvertretende Chefredakteurin Susanne Beyer befand. Doch das Lesepublikum erweist sich als reifer als die medialen Verächter, greift wie einst zum Samisdat und liest. So erging es auch dem Buch „Kontrollverlust“ von Thorsten Schulte, das sich vorige Woche auf Platz eins der Spiegel-Sachbuch-Bestsellerliste etabliert hat.

Rechtsbrüche und Fehlentwicklungen

Was aber ist so Anstößiges an diesem Buch des ehemaligen CDU-Mitgliedes, daß die Welt eine Werbeanzeige verweigert und Thalia das Buch nicht auf seiner Verkaufsfläche präsentieren will? Die Antwort: nichts. Jedenfalls nicht für Menschen, die sich über die Lage in Deutschland informieren wollen und eine Antwort darauf suchen, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wirtschaftlicher Turbulenz schützen können. Und genau darum geht es in dem vorliegenden Buch, das sich sachlich mit zwei Schwerpunkten beschäftigt.

Der erste, krisendiagnostische Teil bietet nicht mehr und nicht weniger als ein Faktenkompendium aller Rechtsbrüche und Fehlentwicklungen der letzten Jahre auf engstem Raum. Derart kompakt präsentiert besitzt das Buch tatsächlich Schockpotential, was manchen Hüter der öffentlichen Meinungshoheit möglicherweise dazu verführte, allzu schnell die Stigmatisierungstaste zu drücken. Aber nichts an dem, was Schulte zu der schleichenden Einführung der Euro-Transferunion, der finanziellen Repression durch die Null- und Negativzinsen, der Überschuldung der öffentlichen und privaten Haushalte oder der widerrechtlichen Grenzöffnung für die millionenfache Zuwanderung Geringqualifizierter schreibt, ist falsch.

Diese und ähnliche Fehlentwicklungen repräsentieren in der Sichtweise des Autors einen staatlich organisierten Angriff auf die individuelle Freiheit des Bürgers, gegen den man sich wehren muß. Daß Thorsten Schulte in diesem Drehbuch Angela Merkel, Martin Schulz und Mario Draghi sehr dezidiert die Schurkenrollen zugeteilt hat, dürfte zum demonstrativen Ignorieren durch den journalistischen Mainstream beigetragen haben.

Glaubt man dem 44jährigen Autor, dürfte es noch schlimmer kommen. In einem „Geheimplan Europa“, über den die FAZ im Mai berichtete, sollen sich die europäischen Eliten bereits über die Einführung eines europäischen Finanzministers, gemeinsame Euro-Anleihen, eine Ausweitung der Bankenunion und eine europäische Arbeitslosenversicherung verständigt haben. Nur vier Monate später steht die vermeintliche Verschwörungstheorie auf der politischen Agenda: Erst skizziert EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker entsprechene Pläne, dann legt der französische Präsident Emmanuel Macron nach. Die deutsche Zustimmung dürfte auch bei einer Jamaika-Koalition sicher.

Doch solch ambitionierte Pläne  werden die europäischen Bürger – und insbesondere die Deutschen – in bisher ungeahnter Weise zur Kasse bitten. Und hier kommt das Bargeld ins Spiel, dessen Erhaltung Schulte in besonderer Weise am Herzen liegt. Denn erst seine Abschaffung mache es den Bürgern unmöglich, radikalen staatlichen Enteignungsmaßnahmen auszuweichen. Nach der Abschaffung des Bargeldes wäre eine Flucht vor den Negativzinsen durch Bargeldhortung ebenso ausgeschlossen wie die Weigerung, für zu erwartende Staats- und Bankenpleiten mit einem Teil seines Vermögens zu haften.

Ein bedrohliches Szenario

Die Dystopie vom „gläsernen Menschen“ würde Wirklichkeit, denn alle Aktivitäten von jedermann wären über die Karten- und Überweisungstransaktionen lückenlos nachvollziehbar. Oppositionelle könnten einfach vom Netz genommen sowie sozial und ökonomisch „ausgeknipst“ werden – ohne Haft, physische Repression oder modernen „Gulag“. Was immer man von diesem Szenario auch halten mag, seine bedrohliche Struktur als realistische Möglichkeit herausgearbeitet zu haben, gehört zu den Hauptvorzügen des Buches.

 Aber was kann man tun? Mit dieser Frage beschäftigt sich Schulte im zweiten Teil des Buches und bietet ein fundiertes Einmaleins der Vermögensberatung in schwierigen Zeiten. Von der Empfehlung einer permanenten Bargeldreserve („Kommt der Crash, benötigen Sie Cash“) über die Diskussion der Vor- und Nachteile des Immobilienkaufes bis zu den Regeln des Anleihen- und Aktienerwerbs wägt der Autor jede Anlageklasse nach ihren Vor- und Nachteilen ab. Besonders empfehlenswert erscheinen dem Autor Edelmetallanlagen, wobei der Edelmetallexperte das Silber gegenüber dem Gold bevorzugt, weil es im Vergleich zum Gold historisch preiswert sei.

Vom Erwerb etwa der weitverbreiteten Xetra-Gold-Zertifikate rät Schulte explizit ab, weil sie im Ernstfall leicht durch den Staat konfisziert werden können. Man sieht, der Autor geht tief ins Detail und schreckt auch nicht davor zurück, seine Leser mit Einzelheiten zu Termingeschäften auf dem Silbermarkt oder ETF-Indizes zu traktieren. Die eine oder andere Banalität („Schließen Sie Ihre Türen ab“) oder häufige Hinweise auf die eigenen Videos wird man dem Autor unter diesen Umständen gern nachsehen.

 Insgesamt ist Thorsten Schulte, der bis 2008 im Investmentbanking tätig war, eine anregende und gelungene Gesamtschau geglückt, deren Pointe sich erst ganz am Ende erschließt. Denn der Titel „Kontrollverlust“ zielt nicht auf den Kontrollverlust der verantwortlichen Politiker, denen die Kontrolle über das Gemeinwesen entgleitet. Im Gegenteil: Sie scheinen das, was sie tun, nach Meinung des Autors mit vollem Bewußtsein der Folgen zu tun. Der Kontrollverlust bezieht sich auf den Bürger, der mitten in der Krise die Kontrolle über sein Vermögen zu verlieren droht. Und eben hier liegen die Stärke und der Schwerpunkt des Buches: Es ist ein Kursbuch darüber, was man beachten muß, wenn man sein Vermögen und damit seine Freiheit in der Krise bewahren möchte.

Informationsseiten von Thorsten Schulte:  www.silberjunge.de  www.pro-bargeld.com

Thorsten Schulte: Kontrollverlust – Wer uns bedroht und wie wir uns schützen. Kopp Verlag, Rottenburg 2017, 288 Seiten, gebunden, 19,95 Euro