© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/17 / 29. September 2017

Knapp daneben
Diskriminierung läßt sich vermeiden
Karl Heinzen

Seit dem Regierungswechsel im Frühjahr darf Serap Güler (CDU) als Staatssekretärin im Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration den Bürgern Nordrhein-Westfalens dienen. Kaum, daß sie ihr Amt angetreten hat, macht sie auch gleich mit einem Paukenschlag auf sich aufmerksam. Das anonymisierte Bewerbungsverfahren für Ausbildungsplätze in oberen Landesbehörden wird wieder abgeschafft. Die Vorgängerregierung hatte es 2013 eingeführt, um dafür zu sorgen, daß wirklich nur die Qualifikation den Ausschlag bei der Auswahl gibt. Allerdings half die Anonymisierung bloß, die erste Hürde des Verfahrens ohne Diskriminierung zu nehmen. Kam es zum persönlichen Bewerbungsgespräch, war das Versteckspiel zu Ende und die Vorurteile hatten freie Bahn. Das Ergebnis ist dementsprechend dürftig: Die Personalgewinnung unter Menschen mit Migrationshintergrund machte keinen Sprung nach vorn.

Im „Home Office“ könnten sich alle Mitarbeiter ohne Diskriminierung am Arbeitsplatz konzentrieren.

Der Schritt zurück, den Güler nun vollzieht, ist jedoch die falsche Antwort. Sie scheint allen Ernstes darauf zu vertrauen, daß in den Personalabteilungen des öffentlichen Dienstes besonders edle Menschen sitzen, die vorurteilsfrei sind und die Vielfalt lieben. So viel Naivität kann einer Regierungsvertreterin nicht zugestanden werden. Wo immer Menschen zusammenkommen, dominieren Gefühle ihre Beziehungen. Rationale Personalentscheidungen sind allenfalls von Computern zu erwarten. Doch selbst hier ist zu befürchten, daß die Algorithmen die subjektiven Befindlichkeiten ihrer Programmierer widerspiegeln. Ein faires Auswahlverfahren setzt daher voraus, daß Bewerber ihre Identität bis zum Vertragsschluß verheimlichen dürfen. Aber auch damit sind die Probleme nur vertagt. Was hilft es, wenn Menschen ohne Diskriminierung einen Job erhalten, um dieser dann am Arbeitsplatz um so stärker ausgesetzt zu sein? Die „Vielfalt in den Büros“, die Güler ersehnt, läßt sich dennoch erreichen, ohne das Betriebsklima zu gefährden. Würden alle nur noch im „Home Office“ arbeiten, wären sie nicht mehr durch andere Menschen emotional herausgefordert und könnten sich ganz auf die Sache konzentrieren.