© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/17 / 29. September 2017

Hippie-Staat mit Helfersyndrom
Markus Vahlefeld beklagt den deutschen Missionseifer, anderen Nationen im Zuge der „Flüchtlingspolitik“ moralische Standards aufzuzwingen
Bernd Rademacher

Markus Vahlefeld ist wütend und fassungslos! Über das Unheil, das kindische Weltretter mit ihrem idiotischen Tun in Deutschland anrichten. Über eine deutsche Kanzlerin, deren Amtszeit ein einziger fortgesetzter Bruch ihres Amtseides ist. Und über die Anmaßung von Politikern, die die täglichen Folgen ihrer Unterlassungspolitik heiter ignorieren, aber Kritiker und sogar andere Nationen moralisch belehren wollen. Darüber hat er eine Abrechnung geschrieben. Sein Buch heißt „Mal eben kurz die Welt retten – Die Deutschen zwischen Größenwahn und Selbstverleugnung“.

Vahlefeld wurde 1966 in Hongkong geboren. Der Deutsch-Brite wuchs in Hamburg auf, studierte Philosophie und ging schließlich in die Filmproduktion. Inzwischen ist er regelmäßiger Autor auf dem Blog „Die Achse des Guten“ (achgut.com). Naheliegend, daß sein „Achsen“-Kollege Henryk M. Broder das Vorwort verfaßte. Dieser schreibt, er staune immer wieder darüber, was sich die arbeitenden Steuerzahler von den Politikern und Eliten alles gefallen ließen. 

Am deutschen Teddywerfer-Wesen soll die Welt genesen

Broder vergleicht den kollektiven Psycho-Knacks der NS-Vergangenheit mit dem „Scheinriesen“ aus Michael Endes „Jim Knopf“, der immer größer wird, je weiter er sich entfernt. Und er benennt die deutsche Neurose der Gegenwart mit dem treffenden Begriff „Wohlstandsverwahrlosung“. Broder ist ein launiger Chronist; Vahlefeld dagegen ist ein gnadenloser Analytiker, der den Wahnsinn auseinandernimmt und wie ein Käfersammler aufspießt.

Deutschland ist nach den Worten des zitierten Politologen Anthony Glees ein „Hippie-Staat“, der „den Verstand verloren hat“. In der Tat: Wir sind anscheinend ein Volk mit Helfersyndrom, torkelnd zwischen Gender-Quatsch und „Buntheit“-Kitsch. Wir haben eine Regierung, die die linksextreme Brüll-Parole „No Border, no Nation!“ konsequent umsetzt. Dazu paßt, daß schwerkriminelle Polit-Hooligans von linksaußen Fahrtkostenzuschüsse erhalten, um mit dem Reisebus zum Steinewerfen fahren zu können (allein in Thüringen 2015 in 46 Fällen nachgewiesen). 

Das Klima aus Verboten, Tabus, Gängelungen und Sprachregelungen wird immer stickiger. Dazu leiert der Milliarden verschlingende „Betreuungs-Journalismus“ Multikulti-Durchhalteparolen wie aus dem Führerbunker. Aus der einst konservativen CDU ist ein nordkoreaesker Applaus-o-Mat für Mutti geworden, das Programm ein Pudding aus diffusen Wohlfühl-Floskeln. Der Gipfel ist der „moralische Imperialismus“, mit dem diese Verrücktheit anderen Völkern – vor allem mal wieder in Osteuropa – aufgezwungen werden soll. Am deutschen Teddywerfer-Wesen soll schon wieder die Welt genesen.

Das ist alles keine überraschende Erkenntnis. Trotz der klaren Gliederung wiederholt sich Vahlefeld zuweilen. Doch die saubere Quellenrecherche macht das Buch zum robusten Debatten-Rüstzeug. Als Ursachen für den gegenwärtigen Defekt führt Vahlefeld Demographie, Feminismus sowie die Verzerrungen im linken Denken an, die aus jeder freien Gesellschaft eine Besserungsanstalt machen will. Der asymmetrische und selektive Humanismus der Linken gilt nur für fremde Minderheiten, aber nicht für das eigene Volk.

Ein bißchen enttäuscht das offene Ende ohne Handlungsoption, das den Leser ratlos zurückläßt. Außerdem sollte betont werden, daß es nicht „die Deutschen“ sind, die offenbar irre geworden sind, sondern ihre Eliten und akademische Linke. Zudem spekuliert Vahlefeld eher über Ursachen, als sie noch tiefer zu erforschen. Leider versäumt er, es danach zu fragen, wer diese dramatische Entwicklung forciert und finanziert. Hier bleibt das ansonsten sehr gute Buch zu sehr an der Oberfläche. Prädikat: Für Merkel „nicht hilfreich“.

Markus Vahlefeld: Mal eben kurz die Welt retten – Die Deutschen zwischen Größenwahn und Selbstverleugnung. Aschenputtel-Publishing, Köln 2017, broschiert, 237 Seiten, 16 Euro