© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/17 / 29. September 2017

Ein Gegenpol zu den USA
Deutsche Unternehmen schmieden im Konkurrenzkampf gegen Google und Co. Daten-Allianzen
Christian Schreiber

Aus Deutschland kommt seit Jahren vehemente Kritik an der „Daten-Dominanz“ der USA. Die Mehrheit der Internetnutzer gibt ihre persönlichen Daten über Konten bei den Internetriesen Google, Facebook oder Twitter preis. Eine branchenübergreifende Kooperation von mehreren deutschen Konzernen soll nun Abhilfe schaffen und den Kampf mit der Übersee-Konkurrenz Anfang 2018 aufnehmen. Die Plattform soll Verimi heißen – ein Kunstwort, angelehnt an die englischen Begriffe „verify“ (prüfen) und „me“ (mich) – und einen einheitlichen Zugang zu Online-Diensten bieten. Initiatoren des Bündnisses sind die Versicherungsgruppe Allianz, Axel Springer, Daimler, die Deutsche Bank inklusive der Postbank und der Kartendienst Here der deutschen Autobauer. 

Obwohl die Umsetzung des Projekts noch unter dem Vorbehalt einer Zustimmung der Wettbewerbsbehörden steht, sind die Vorarbeiten laut der Gründer weit fortgeschritten. In Berlin würden bereits 30 Mitarbeiter „mit Hochdruck“ an der Umsetzung arbeiten. Die Basis-version eines ,,Generalschlüssels“ soll bereits zum Jahreswechsel 2017/18 vorgestellt werden. Die branchenübergreifende Registrierungs-, Identitäts- und Datenplattform soll das Einloggen auf Webseiten deutlich vereinfachen. Bei der Basisversion sollen die Nutzer künftig einmalig Namen und Paßwort eingeben. Dann sind sie berechtigt, auf alle Anwendungen der beteiligten Unternehmen zuzugreifen. Die zeitraubende Eingabe und Verwaltung mehrerer Paßwörter für unterschiedliche Internetseiten soll so wegfallen. 

Firmen erhalten neue Werbemöglichkeiten 

Eine zweite Daten-Partnerschaft planen die Mediengruppe RTL, ProSiebenSat.1 und United Internet. Ihre „Log-In-Allianz“ eines ebenfalls einheitlichen Anmeldeverfahrens hat noch keinen Namen. Der Plan der deutschen Konzerne ist der ambitionierte Versuch, einen Gegenpol aus Europa zu den USA aufzubauen. Mit den beiden Initiativen bereiten sich die Unternehmen zudem auf neue EU-Verordnungen zur Privatsphäre und elektronischen Kommunikation („E-Privacy“) sowie zum Datenschutz vor. 

Die ab Mai 2018 geltende EU-Datenschutzgrundverordnung und die ergänzende striktere E-Privacy-Verordnung sprechen den Bürgern umfangreichere Einwilligungsrechte bei der Fremdnutzung ihrer Daten zu. Wenn jede einzelne Website, die zielgruppenorientierte Werbung vermarktet, alle Zustimmungserklärungen bei jedem Nutzer einzeln aufs neue abfragen müßte, sei dies für alle wenig praktikabel. 

Verimi soll dem reformierten EU-Recht entsprechen und „höchste Standards bei Datensicherheit und Datenschutz gewährleisten“. Die Plattform wird durch ihre Beteiligung von Gesellschaften aus den Branchen Automobil, Finanzen, IT, Luftfahrt, Medien, Technologie, Telekommunikation sowie Versicherungen einen breiten Markt abdecken. Ziel sei es trotzdem, rasch weitere Unternehmen aus allen Sektoren der deutschen und der europäischen Wirtschaft zu gewinnen. Die Vorsitzende der Verlagsgeschäftsführung der Bild-Gruppe, Donata Hopfen, soll die Leitung von Verimi ab dem 1. Oktober übernehmen. Alleine an dieser Personalie ist absehbar, welch hohen Stellenwert das Projekt bei den Initiatoren genießt. Innerhalb der deutschen Wirtschaft stößt es auf offene Ohren. Harry Hohmeister, Mitglied des Lufthansa-Vorstands, lobte gegenüber dem Medienmagazin Horizont die „Nutzerfreundlichkeit“, und auch Telekom-Chef Timotheus Höttges zeigte sich von dem „hochsicheren Generalschlüssel für das Internet“ überzeugt. 

Branchenkenner gehen davon aus, daß die Konzepte der Medienhäuser auch mit neuen Werbemöglichkeiten zusammenhängen dürften, die sich aus den Kooperationen ergeben. Und so senden die beiden Initiativen bereits untereinander Signale zur Zusammenarbeit. Anke Schäferkordt, Geschäftsführerin der Mediengruppe RTL, sagt: „Jedes weitere Unternehmen, das sich unserer Initiative anschließt, erhöht den Vorteil für den Kunden und stärkt die deutsche Digital-Wirtschaft. Wir sind für alle Gespräche offen.“