© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/17 / 29. September 2017

Der Brexit darf kein Hauen und Stechen werden
Am längeren Hebel
Jörg Fischer

Anton Börner ist ein bayrischer Mittelständler, der nur vor „Dummheit, Fundamentalismus, vor allem religiöser Art, und Irrationalität“ Angst hat. 16 Jahre lang verbreitete der 62jährige auch als Präsident des Außenhandelsverbandes BGA gern Optimismus: „Die deutsche Wirtschaft ist prinzipiell nicht krisenanfällig, weil wir beim Export sehr breit aufgestellt sind“, sagte Börner der Welt. Daß der Brexit jemals kommen werde, bezweifle er – und wenn, dann „ganz stark abgefedert, um die Wirtschaft nicht zu überfordern“.

Wenn es nach Theresa May geht, dann könnte Börner recht behalten. „Großbritannien wird Verpflichtungen einhalten, die wir während unserer Mitgliedschaft gemacht haben“, erklärte die Premierministerin in ihrer Brexit-Grundsatzrede in Florenz. Eine zweijährige Übergangsphase bis 2021 werde „wertvolle Sicherheit schaffen“. Doch Brüssel verlangt die faktische Unterwerfung sowie als Abschiedsgeschenk 60 bis 100 Milliarden Euro fürs EU-Budget, um Nachahmungstäter abzuschrecken. Beides wird London niemals akzeptieren. Kommt es zu einer Trennung im Streit, wird Deutschland den größten Schaden haben.

Ohne Austrittsvertrag gelten ab April 2019 die Regeln der Welthandelsorganisation WTO: beispielsweise Zölle von zehn Prozent auf viele Produkte. Das Vereinigte Königreich ist mit 89 Milliarden Euro unser drittwichtigster Absatzmarkt. Für die deutsche Autoindustrie ist es mit 800.000 Pkws jährlich das mit Abstand wichtigste Exportzielland. Umgekehrt liefern die Briten nur Waren für 38,4 Milliarden Euro an uns. Ähnliches gilt auch im Verhältnis zu unserem wichtigsten Exportmarkt, den von manchem Verbands- und Politfunktionär belächelten USA. Sollte Donald Trump angesichts des Nordkorea-Konflikts zu Handelswaffen gegen dessen Schutzmacht China greifen, hätte der deutsche Export ein weiteres Problem. Das zeigt, wer bei einem Handelskrieg am längeren Hebel sitzt und wer dann der Dumme ist.