© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/17 / 22. September 2017

„Trump ist für die Zeitungen ein Glücksfall“
Beim Swiss Media Forum in Luzern zeigt sich: Mit einer einheitlichen Stimme spricht die Branche nicht
Thorsten Brückner

Die Schweiz verfügt über eine der höchsten Zeitungsdichten in Europa. Alle Tageszeitungen in der Deutschschweiz kommen zusammen auf eine tägliche Auflage von über 2,5 Millionen – bei 5,3 Millionen Einwohnern. In einem derart gesättigten Markt zu überleben und neue Absatzstrategien zu entwickeln ist die Herausforderung der Branche – besonders in Zeiten des sich fortsetzenden Anzeigenrückgangs. Beim Swiss Media Forum in Luzern machte vergangenen Donnerstag der Chef des Platzhirsches Tamedia, Pietro Supino, in seinem Referat die beiden Hauptfeinde der Verlagshäuser aus: Kostenlosangebote im Netz und eine zunehmende Kommerzialisierung der öffentlich-rechtlichen Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG). 

Ungeachtet der Gratis-Konkurrenz warb Supino dafür, den eingeschlagenen Weg der Online-Bezahlmodelle konsequent weiterzugehen. Hart ging er mit der SRG ins Gericht. Der wie in Deutschland durch eine Haushaltsabgabe finanzierte „Service public“ dürfe nicht das private Angebot „mit öffentlichen Geldern konkurrenzieren“. In die gleiche Kerbe stieß auch AZ-Chef Peter Wanner: „Was der Markt erbringt, muß die SRG nicht auch noch machen wollen. Überlassen Sie die Unterhaltungsangebote doch dem Markt!“ 1,6 Milliarden Schweizer Franken beträgt der Etat des Schweizer Rundfunks. Dreiviertel davon sind Zwangsbeiträge. Der „Service public“ muß davon aber, anders als in Deutschland, Programme in vier Sprachen (Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch) anbieten. 

Nationalrat debattiert No-Billag-Initiative

Nicht nur unter den privaten Medienhäusern, sondern auch im Parlament regt sich derzeit Widerstand gegen die ausufernde Tätigkeit der SRG. Mit der No-Billag-Initiative, die zeitgleich im 85 Kilometer entfernten Bern im Nationalrat diskutiert wurde, wollen einige SVP-Abgeordnete den Öffentlich-Rechtlichen ihre Haupteinnahmequelle entziehen. 

Ein Kompromißvorschlag, der von Teilen der SVP und FDP unterstützt wird, sieht eine Reduzierung der derzeitigen Gebühren von jährlich 451 auf 200 Franken pro Haushalt vor. „Unser Geschäftsmodell ist durch die No-Billag-Initiative auch bedroht“, versuchte SRG-Präsident Jean-Michel Cina bei der Podiumsdiskussion in den allgemeinen Betroffenheitschor der Medienhaus-Chefs mit einzustimmen. Der souverän und scharfzüngig moderierende NZZ-Chef Eric Gujer ließ ihm das nicht durchgehen. „Es ist ein großer Unterschied, ob man durch einen Gesetzesakt oder durch den Markt“ in seiner Existenz bedroht werde, so Gujer. Dem deutschen Zuhörer wurde schnell klar: Die großen medienpolitischen Fragen unterscheiden sich bei den Eidgenossen auch nicht wesentlich von denen beim großen Nachbarn im Norden. 

Fernab von solchen innerschweizerischen Debatten konnte das Swiss Media Forum in diesem Jahr aber auch mit zwei echten Höhepunkten aufwarten. Der für das Weiße Haus zuständige Bürochef der Washington Post, Philip Rucker, sprach über die Chancen und Probleme des amerikanischen Journalismus in Zeiten von Präsident Donald Trump. Für die Zeitungsverlage bewertet Rucker Trumps Präsidentschaft als Glücksfall. Die Branche, die noch bis ins vergangene Jahr mit Auflagenrückgängen zu kämpfen gehabt habe, erhole sich. „Ich denke, es ist ein goldenes Zeitalter für den Journalismus“, insistierte Rucker. Für Leute, die im Nachrichtengeschäft Profit machen wollten, sei Trump ein Segen. Seine Zeitung könne es sich sogar wieder erlauben, Journalisten einzustellen. Allein sieben Reporter beschäftigten sich täglich nur mit Trump und dabei seien Faktenchecker und Investigativjournalisten noch gar nicht mit eingerechnet.

Im Gespräch mit der früheren Rundschau-Moderatorin Susanne Wille betonte Rucker, es gebe einen großen Unterschied zwischen dem Präsidenten Trump im Vier-Augen-Gespräch und seinem öffentlichen Auftreten. Während er Kritik im Zwiegespräch mehr spielerisch äußere, seien seine öffentlichen Stellungnahmen über Journalisten „ekelerregend“. Dennoch begegne die Wa­shington Post der Trump-Regierung mit Respekt, „egal als was uns der Präsident mal wieder bezeichnet“. Eine wichtige Lehre aus den Fehlprognosen der meisten amerikanischen Medien, die Hillary Clinton als Präsidentin erwartet hatten, sei, mehr mit den einfachen Menschen außerhalb der Städte zu sprechen und sich ihre Perspektive anzuhören. Nur so gewönnen die Medien Glaubwürdigkeit zurück. 

Anders als Rucker mußte sich Breitbarts Europa-Korrespondent Thomas Williams im Anschluß harte Fragen von Wille gefallen lassen. Dabei ließ sich Williams einige Mal aufs Glatteis führen. „Steve Bannon hat eine Sprache, mit der ich Probleme habe“, sagte er über seinen Chef bei Breitbart, den früheren Chefstrategen Trumps. Anders als Bannon glaube er auch nicht an eine Verschwörung linker Kräfte. „In den meisten Fällen steckt da keine Bösartigkeit dahinter.“ Konfrontiert mit provokativen Schlagzeilen Breitbarts erwiderte er: „Ich bin froh, daß keiner dieser Artikel von mir stammt.“ Die reißerischen Überschriften der rechten Online-Zeitung dienten nur der Generierung von Klickzahlen, gestand er freimütig, nur um kurz darauf einen weiteren Seitenhieb gegen Bannon auszuteilen: „Ich habe Steve gesagt, daß ich einige Dinge von Breitbart für anstößig halte.“ 

Keine kritischen Fragen für „Washington Post“-Mann

Schlagfertig zeigte er sich auf die Frage Willes, warum er die rassistischen Ausschreitungen in Charlottesville nicht verurteilt habe: „Es gibt Millionen Gewalttaten, die ich nicht verurteile. Warum erwarten Sie von mir, daß ich das in diesem speziellen Fall tue? Wille ließ sich davon aber nicht von ihrer Agenda abbringen: „Es ist sehr gefährlich, wenn eine Nachrichtenorganisation Gewalt nicht verurteilt“, schob sie belehrend nach. Neben vielen berechtigten kritischen Fragen, bekam das Interview zwischenzeitlich die Schlagseite eines inquisitorischen Verhörs. Der feingeistige Theologe wurde mit kontroversen Breitbart-Texten konfrontiert, von deren Entstehung er als Rom-Korrespondent und Spezialist für Glaubensfragen keine Kenntnis haben konnte. Ähnlich kritische Fragen Willes an Rucker blieben aus, was auch etwas das Lob relativieren muß, mit dem Wille anschließend in sozialen Netzwerken für ihre Moderation bedacht wurde. Aber immerhin: Das Swiss Media Forum hielt dem Druck im Vorfeld stand und lud Williams nicht – wie von linken Aktivisten, darunter der ultralinken Wochenzeitung gefordert – aus. Die Schweiz ist eben nicht Deutschland. 

Vielleicht blicken viele deutsche Konservative auch gerade deswegen nicht ohne eine gewisse Portion Neid auf die Vielfalt in der Schweizer Medienlandschaft. „Schweizer Zeitungen sind das neue Westfernsehen“, hört man derzeit oft aus AfD-Kreisen. Aus diesem Defizit will derzeit vor allem die NZZ Kapital schlagen. „NZZ Perspektive“ heißt das E-Paper-Angebot des Zürcher Verlagshauses speziell für deutsche Leser mit Analysen zur deutschen Innenpolitik, das seit kurzem über eine eigene Redaktion in Berlin verfügt.