© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/17 / 22. September 2017

Blick in die Medien
Twitter löscht Mauertote
Tobias Dahlbrügge

Der Berliner AfD-Abgeordnete Ronald Gläser muß künftig auf den Kurznachrichtendienst Twitter verzichten: Sein Nutzerkonto ist seit dem 13. September gesperrt. Zuvor hatte der Pressesprecher des Berliner AfD-Landesverbandes ein bissiges Satiremotiv über die Linkspartei hochgeladen. Unter der Überschrift „Damals und heute“ hatte er einem aktuellen Wahlkampfplakat der Linken mit dem Text „Flüchtlinge schützen, nicht ertrinken lassen. Die Linke“ ein fiktives Poster mit dem Slogan „Flüchtlinge erschießen, nicht entkommen lassen. Die SED“ gegenübergestellt. Daraufhin sperrte Twitter Gläsers Zugang.

Eine Kontaktaufnahme zu dem Konzern ist nicht möglich. Anfragen bleiben unbeantwortet.

Der Dienst informierte ihn, der Beitrag verstoße „gegen Twitter-Regeln“, die nicht genauer bezeichnet wurden. Würde er den Tweet umgehend löschen, könne er zwölf Stunden später wieder auf seinen Account zugreifen. Für Gläser kam das nicht in Frage. Er kritisiert: „Es ist ein Skandal, daß sich Twitter zum Handlanger der Linkspartei macht“, denn sein Tweet sei eine sarkastische Auseinandersetzung mit einem dunklen Kapitel deutscher Geschichte und keine sogenannte „Haß-Sprache“. Zudem sei völlig intransparent, ob Gläsers Mitteilung manuell oder automatisch entfernt wurde. „Die Sperrung durch einen Algorithmus wäre noch einigermaßen nachvollziehbar, denn Roboter erkennen keinen Sarkasmus.“ Doch eine normale Kontaktaufnahme mit dem Konzern zur Klärung ist nicht möglich, auf Anfragen erhielt Gläser keine Antwort.

Die undurchsichtige Praxis ist problematisch, denn wenn das umstrittene Netzwerkdurchsetzungsgesetz am 1. Oktober in Kraft tritt, werden solche Fälle von Zensur stark zunehmen. Zudem wird offenbar nach asymmetrischen Kriterien geurteiltt – „Haß-Postings“ gegen die AfD zogen bislang keine Sperren nach sich. Gläser will jedoch nicht aufgeben: „Wenn ich wieder freigeschaltet bin, lade ich das Motiv einfach erneut hoch!“