© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/17 / 22. September 2017

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Das Dröhnen der Motoren ist weithin zu hören, vor allem der fette Harley-Sound. Hunderte Rocker von den Hells Angels und anderen Clubs demonstrierten vorvergangenen Samstag mit einer Ausfahrt gegen das Verbot, ihre Kutten und Abzeichen (Colours) tragen zu dürfen. Die Route führte von ihrem Clubhaus in Alt-Biesdorf bis in die Stadtmitte zum Alexanderplatz und wieder zurück. Unter dem Motto „Freedom is our religion“ protestierten sie damit gegen „die Abschaffung der Vereinsfreiheit“. Hintergrund: Im Januar dieses Jahres hatte der Bundestag eine Verschärfung des Vereinsgesetzes beschlossen, die im März in Kraft trat. Danach dürfen alle Mitglieder eines Motorradclubs deutschlandweit nicht mehr ihre Kutten und Embleme in der Öffentlichkeit tragen, sobald auch nur eine einzelne Ortsgruppe (Chapter/Charter) verboten ist. Betroffen davon sind unter anderem die drei großen Clubs Hells Angels, Bandidos und Gremium MC. Nicht nur aus der Biker-Szene hagelte es heftige Kritik an dieser Neuregelung. Die Linken-Abgeordnete Ulla Jelpke sprach im Parlament von „Sippenhaft“ und einer „Lex Rocker“: „Man muß die Rockerszene mit ihrem martialischen Auftreten nicht mögen. Aber nicht jeder, der sich durch seinen Lebensstil außerhalb der bürgerlichen Moral stellt, ist deswegen gleich ein Schwerverbrecher. Die Art und Weise, wie hier (…) eine ganze Subkultur diffamiert und damit auch kriminalisiert wird, ist einfach infam.“


Das letzte Wort in Sachen Vereinsgesetz scheint freilich noch nicht gesprochen. Wie der Pressesprecher des Bundesverfassungsgerichts auf Anfrage dieser Zeitung am Dienstag bestätigte, hat der Gremium MC Konstanz vergangene Woche Verfassungsbeschwerde gegen die Änderung des Vereinsgesetzes und damit das Colour-Verbot eingelegt. Sie wird unter dem Aktenzeichen 1 BvR 2067/17 bearbeitet, ein Entscheidungstermin sei aber noch nicht absehbar. Wie der Heidelberger Rechtsanwalt Gerhard Härdle, der den Gremium MC vertritt, mitteilte, sehe sich der Club in seinen Grundrechten der Vereinigungsfreiheit und der Meinungsfreiheit verletzt.


Anruf bei „Django“, dem Pressesprecher der Hells Angels: „Wir tragen unser Abzeichen – den geflügelten Totenkopf – seit 1948 und lassen es uns auch jetzt nicht verbieten.“ Das Gründungsmitglied des ersten deutschen Ablegers bekräftigte, sein Club werde ebenfalls gegen die Neufassung des Vereinsgesetzes Verfassungsbeschwerde einlegen. Freiheit bedeute, so der Alt-Rocker, „selbst zu entscheiden, wie man leben und sich kleiden möchte“. Recht hat er!