© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/17 / 15. September 2017

EZB schiebt den Ausstieg aus ihrer ultralockeren Geldpolitik auf
Währungsmanipulation
Thomas Kirchner

Mehr als 1,20 Dollar mußte man letzte Woche aufwenden, um einen Euro zu kaufen. Das sind zwar immer noch 30 Cent weniger als vor acht oder zehn Jahren, aber der Wechselkursanstieg des Euro dient als Argument für die expansive Geldpolitik: EZB-Präsident Mario Draghi verzögert den Ausstieg aus dem Anleihenkaufprogramm QE, das die Zinsen vieler Staatsanleihen und von Unternehmen wie dem französischen Baukonzern Vinci negativ werden ließ. Erst im Oktober oder Dezember soll über die QE-Zukunft entschieden werden.

Doch die so geschaffenen 2,3 Billionen Euro auszugeben ist nicht so einfach. Bis Jahresende kommen weiterhin monatlich 60 Milliarden Euro hinzu. Der EZB soll bereits ein Drittel der deutschen Staatsanleihen gehören. Dennoch soll dies angeblich keine verdeckte Staatsfinanzierung sein. Die Auswirkungen der Dollarschwäche auf die Exportwirtschaft sind es, die Draghi das Ende der lockeren Geldpolitik erschweren. Doch das ist ein fadenscheiniges Argument: die südeuropäischen Krisenstaaten sind erst mal aus dem Gröbsten heraus, die Wirtschaft in Europa läuft, im Kernland Deutschland sogar auf Hochtouren. Die Gelegenheit zum Ausstieg ist günstig. So forderte Ex-Bundesbankpräsident Axel Weber, 2011 zurückgetreten wegen dieser verdeckten Staatsfinanzierung, im Handelsblatt: „Die EZB sollte die Anleihekäufe beenden.“ Er verdeutlichte zugleich die Verzerrungen durch Draghis Politik: „Wer italienische Staatsanleihen kauft, das sollte den Markt und die italienische Regierung beschäftigen und nicht die Geldpolitik.“

Draghis Zögern könnte auch die deutsche Exportbranche treffen, denn die USA sind mit 107 Milliarden Euro (2016) ihr wichtigster Absatzmarkt. Schon unter Obama gab es Stimmen, die deutschen Exportüberschüsse als Zeichen einer bewußten Währungsmanipulation zu interpretieren und Deutschland auf eine Stufe mit China zu stellen, das seine Wechselkurse per Dektret festlegt. Donald Trump selbst schloß sich dieser Sicht an, als er verkündete: „The Germans are bad, very bad.“ Wenn Draghi jetzt die überfällige Zinswende mit Blick auf den Wechselkurs aufschiebt, bestätigt der EZB-Chef nur die Behauptungen, der Euro würde zum wirtschaftlichen Vorteil Deutschlands und der Euro-Länder manipuliert.

Im Extremfall könnte das zu der absurden Lage führen, daß die USA deutsche Firmen wegen des „manipulierten“ Euros sanktionieren, weniger exportstarke Länder wie Frankreich hingegen trotz derselben Währung keine Strafen fürchten müßten. „Wir sind keine Währungsmanipulatoren“, behauptet Draghi, womit er aber in Washington genausoviel Glaubwürdigkeit besitzt wie die Chinesen mit der gleichen Behauptung. Es wäre an der Zeit, daß wieder mutige Ökonomen wie Jürgen Stark bei der EZB ans Ruder kommen und das geldpolitische Hokuspokus endlich beendet wird.