© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/17 / 01. September 2017

Entscheidender Schritt für die Rückeroberung
Mit dem Sieg über die Mauren bei San Esteban de Gormaz begann 917 der jahrhundertelange Kampf gegen die moslemische Besetzung Spaniens
Jan von Flocken

Galicien, eine Region in der äußersten Nordwestecke Spaniens, erlebte um das Jahr 818 eine Sensation. Bei dem Städtchen Santiago de Compostela fand man in einem antiken Grab die Gebeine des Apostels Jakobus des Älteren. Dieser Jünger Jesu soll angeblich auf der Iberischen Halbinsel missioniert haben. Man errichtete über der Fundstätte eine Kirche, und der Ort gehörte bald zu den bedeutendsten Wallfahrtsstätten Europas. Jakobus galt in den folgenden Jahrhunderten als Integrationsfigur des christlichen Spaniens. 

Sein Beiname „Matamoros“ (Maurentöter) weist deutlich auf eine militärische Funktion dieses Heiligen hin. Anfang des 10. Jahrhunderts waren drei Viertel der Iberischen Halbinsel von Arabern besetzt, die man in Europa als „Mauren“ bezeichnete. 711 erschien ein moslemisches Invasionsheer aus Nord-afrika vor Gibraltar, setzte nach Spanien über und vernichtete das Reich der Westgoten. Erst zwei Jahrzehnte später konnte ihr Vordringen durch fränkische Truppen während der Schlacht bei Tours aufgehalten werden.

Christliche Reiche im  Norden wurden stabilisiert

Die Araber zogen sich danach hinter die Pyrenäengrenze zurück und errichteten hier das mächtige Emirat „al-Andalus“ mit der Metropole Cordoba. Im Norden des Landes etablierten sich allmählich eher winzige christliche Teilstaaten wie León und Navarra. Das Königreich Galicien um die Stadt La Coruña spielte zunächst die wichtigste Rolle bei einem Prozeß, der als „Reconquista“ (Zurückeroberung) in die Geschichte einging: die Befreiung von der moslemischen Fremdherrschaft.

Die feudalen Teilreiche der Christen lagen häufig im Streit miteinander, doch vor 1.100 Jahren setzte König Ordoño II. ein erstes bedeutendes Fanal für die Reconquista. Er hatte im Jahre 910 von seinem Vater das Königreich Galicien geerbt und war seit 914 nach dem Tod seines Bruders auch König von León. Kaum auf den Thron gelangt, griff Ordoño die von den Mauren beherrschten Städte Mérida und Evora an. Besonderes Augenmerk richtete der König auf die Stadt San Esteban de Gormaz bei Soria. Sie lag strategisch günstig an der Grenze zum Emirat. 

Hier wurden Stadt und Burg zur mächtigen Festung ausgebaut. Damit konnte man den Grenzfluß Duero halten, und die Hauptstraße von Saragossa nach Astorga war den moslemischen Heeren versperrt. Für den Emir von Cordoba, der nahezu die gesamte Iberische Halbinsel kontrollierte, eine ungeheure Provokation. Vielleicht hatte Ordoño bei San Esteban de Gormaz auch eine Falle für die Araber gelegt. Denn ihr neuer Emir Abd al-Rahman III. befahl, das Ärgernis so bald wie möglich wegzuräumen. Im Sommer 917 marschierte ein Heer unter dem Feldherren Ibn Abi-Abda gegen die Burg, welche freilich im Handstreich nicht zu erobern war. Die folgende Belagerung kostete Zeit, und das gab König Ordoño die Möglichkeit, eine Entsatztruppe aufzustellen.

Dieses kleine Heer näherte sich Anfang September der Stadt San Esteban de Gormaz. Ibn Abi-Abda wollte sowohl die Belagerung fortsetzen als auch das Entsatzheer schlagen. Am 4. September kam es zur Schlacht, von deren Verlauf wir kaum etwas wissen. Nur das Resultat ist bekannt. Eingeklemmt zwischen der Stadtmauer und Ordoños Kriegern erlitten die Mauren eine schwere Niederlage. Abi-Abda geriet in Gefangenschaft und wurde enthauptet. Seinen Kopf ließ der König auf den Mauerzinnen von San Esteban de Gormaz als Warnung an den Feind ausstellen. Als Ordoño im Jahre 924 starb, war das Königreich Galicien/León ein zwar ständig von außen bedrohter, aber widerstandskräftiger Staat.  Während 14 Regierungsjahren hatte er die Reconquista einen entscheidenden Schritt vorangebracht.