© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/17 / 01. September 2017

Internationalisiert und spezialisiert ins Abseits
Degenerierte Politikwissenschaft
(ob)

Für den an der Münchner Universität der Bundeswehr lehrenden Politikwissenschaftler Carlo Masala befindet sich sein Fach in einer schweren Krise. Dabei läßt der äußere Anschein kaum etwas von Krise ahnen. Denn die deutsche Politikwissenschaft sei doch nach der Wiedervereinigung ständig „professioneller und internationaler“ geworden, man trete auf internationalen Fachkonferenzen prominent auf, dominiere einige Subdisziplinen und veröffentliche fleißig auf englisch in „double blind peer reviewed journals“ (Zeitschrift für Politikwissenschaft, 1/2017). Paradoxerweise sei das Fach im öffentlichen Diskurs gleichzeitig aber marginalisiert worden: „Politikwissenschaft als Forschungsdisziplin, die der Gesellschaft etwas zu sagen hat, spielt eine zunehmend unwichtige Rolle.“ Dieser Wahrnehmungsverlust resultiere aus der veränderten, stark auf theoretische und methodische Kompetenzen fixierten Ausbildung, die „extremes Spezialistentum“ fördere. So fänden methodisch raffinierte Analysen der Verhandlungsprotokolle zur Verabschiedung der EU-Schokoladenrichtline heute mehr Kollegeninteresse als „große, politisch relevante Fragen“. An die Stelle „großer Entwürfe“ trete deshalb das Abschreiten sicherer Wege, „um bloß die eigene akademische Karriere nicht zu gefährden“. Insofern drohe die „Degenerierung“ zu einer staatlich üppig alimentierten Randdisziplin. 


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