© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/17 / 01. September 2017

Lesereinspruch

Propagandastück

Zu: „Der zwiespaltige Bund und sein langer Schatten“ von Felix Dirsch, JF 34/17

Dem interessanten Einblick in das religionskritische Denken und Argumentieren Jan Assmanns ist zu widersprechen: Felix Diersch verweist in seiner Rezension von Assmanns Werk „Totale Religion“ auf Mozarts Freimaureroper und Lessings Ringparabel als Vorbilder toleranten Denkens. Meines Erachtens zu Unrecht: „Wen diese Lehre nicht erfreuet, verdienet nicht, ein Mensch zu sein“, grenzt Sarastro in der „Zauberflöte“ Andersdenkende aus. In Lessings Ringparabel muß der Jude Nathan seinen jüdischen Glauben bewußt verleugnen, um Lessings agnostische Toleranzidee zu transportieren. Während der muslimische Herrscher Saladin von Menschengüte nur so trieft, gibt es einen einzigen Bösewicht im Stück: den katholischen Patriarchen, der Nathan auf den Scheiterhaufen bringen will und der eine Kriegslist gegen den herzensguten muslimischen Eroberer plant, was das Publikum richtig gemein und ungerecht finden soll. Lessings „Nathan der Weise“ ist ein liberales Propagandastück, dessen sehr parteiliche „Toleranz“ weit hinter dem christlichen Gebot der Feindesliebe zurückbleibt.

Klaus Elmar Müller, Burgbrohl