© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/17 / 25. August 2017

Zeitschriftenkritik: Traditio et Innovatio
Aus dem universitären Alltag
Werner Olles

Über die Ursachen, warum viele Studenten heute im Fach Mathematik scheitern, wird vielfach gerätselt. Professor Konrad Engel, geschäftsführender Direktor des Instituts für Mathematik der Universität Rostock, spricht in der aktuellen Ausgabe von Traditio et Innovatio (2/17) Klartext: Die mathematischen Fähigkeiten vieler Studienanfänger seien unzureichend. Die Gymnasiasten kämen mit geringeren mathematisch-naturwissenschaftlichen Kenntnissen an die Hochschule als in den 1990er Jahren. Nach seiner Auffassung hat der „Akademisierungswahn“ das durchschnittliche Niveau der Studenten gesenkt.

Ein weiterer Grund sei der frühe Einsatz von Computern. Sie sollten erst benutzt werden, wenn man den Stoff verstanden habe. Hinzu kommt laut Engel: „Die Studienhaltung ist nicht immer ausreichend. Wer bestehen will, muß seine ganze Persönlichkeit einsetzen, um das Studium erfolgreich zu absolvieren.“ Doch habe erst ein Brandbrief von mehr als 130 Professoren und Lehrkräften, die die Mathematikdefizite der Schüler kritisierten, die katastrophale Situation publik gemacht. Man erlebe Studenten, die den Flächeninhalt einer Kreisscheibe nicht berechnen könnten, es fehle an elementarem Wissen. Während einige Institute anregten, das Niveau in Mathematik zu senken, um nicht zu viele Studienabbrecher zu haben, plädiert Konrad Engel dafür, daß nur solides Training und Ausdauer Erfolgserlebnisse, Befriedigung und Lebensfreude garantieren.

Über eine brasilianische Geisteswissenschaftlerin, die an der Uni Rostock die Geschichte der Chemie erforscht, berichtet ein weiterer Beitrag. Letitia Pereira ist beeindruckt von der „Wissenschaftskultur, die in Deutschland sehr ausgeprägt ist“. Das Studium sei hier „wie das Erleben eines Geschichtsbuches“. In Brasilien werde das Hochschulsystem nach dem Sturz der linken Regierung Rousseff stark verändert und die Zahl der Studenten deutlich verringert. Unter der sozialistischen Regierung habe das Prinzip „Bildung für alle“ gegolten, doch erlebe Brasilien nun große Veränderungen in der Politik, im sozialen Sektor und bei Ausgaben für die Wissenschaft. Daß das Prinzip „Bildung für alle“ in den links regierten lateinamerikanischen Staaten vor allem an den Universitäten eine erhebliche Senkung des Niveaus hervorbrachte, wird leider nicht diskutiert.

Die Historikerin und Religionsforschern Nina Käsehage engagiert sich an der Theologischen Fakultät für die Deradikalisierung junger Muslime. Für ihre Forschung begab sie sich in die Salafistenszene und gewann tiefe Einblicke in innerislamische Probleme, Hintergründe und Verstrickungen; zudem habe sie 35 ihrer Gesprächspartner gemeinsam mit deren Eltern davon abhalten können, in den Dschihad nach Syrien zu ziehen. Von drei jungen Männern, die sich nicht aufhalten ließen, bekam sie später im Internet nur ihre zerschossenen Köpfe zu sehen. Dennoch glaubt sie fest, daß die Deradikalisierung junger Muslime gelingen könne.

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