© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/17 / 25. August 2017

Werner „Tiki“ Küstenmacher. Der bekannte Aufräumexperte ist eigentlich Theologe
Entrümpler Gottes
Gernot Facius

Auf der bunten Spielwiese der Spiritualität tummeln sich zahlreiche „Gurus“. Auch Werner „Tiki“ Küstenmacher, Karikaturist, Moderator, vor allem aber sechsfacher Auflagen-Millionär – und evangelisch-lutherischer Pfarrer im Nebenamt – verteidigt dort einen Stammplatz.

In „Limbi. Der Weg zum Glück führt durchs Gehirn“ – das limbische System gilt als unser „emotionales Gehirn“ – begab er sich 2016 auf die Suche nach der ultimativen Glücksformel. Sein Lese- und Vortragspublikum bekam von dem protestantischen Hans Dampf in allen medialen Gassen Neurologie und Glücksforschung im Doppelpack.

„Esoterischer Müll“, spotten  Kritiker. Doch der Münchner, Jahrgang 1953, versteht sich, salopp gesagt, als Entrümpelungsexperte. Denn er gibt nicht nur  Tips, wie wir unser Alltagschaos bewältigen können, so in seinem Bestseller „Simplify your life“ (2001), der ihn bekannt gemacht hat: nämlich indem man sich von „Lebensbremsen“ wie gesellschaftlichen Zwängen,  Perfektionismus und Schuldgefühlen trenne. Er versucht sich auch am Entrümpeln „festgefügter“ Gottesbilder. Niemand, so Küstenmacher, solle sich seinen Glauben vorgeben lassen, dieser müsse sich „entwickeln“. Schließlich hätten wir Menschen uns unseren Glauben „immer schon aus verschiedenen Quellen zusammengestellt“.

Gestützt auf die Arbeiten der US-Philosophen Clare Graves und Ken Wilber, beschreibt er ein religiöses Stufenmodell: Sei es bei der Religion anfangs ums nackte Überleben gegangen, folgten im Laufe der Geschichte magische Rituale, heilige Ordnungen und Herrscher, später der mündige Bürger, der sich für ein Leben ohne Gott entscheiden konnte, und der Weg zur egalitären Gemeinschaft, die religiöse Grenzen „überwinde“. Jede Religion sei also Flickwerk, auch das Christentum.

Selbst die Bibel hält Küstenmacher nicht für eindeutig, sie sei sogar religionsvermischend. Auch dort gebe es „mehrere Wahrheitsstränge“. Das bayerische Multitalent bewegt sich hier auf glitschigem Terrain. Im Lager der Evangelikalen etwa stellt man sich seit Jahren die Frage: Ist ein Theologe, der Probleme damit hat, an einen persönlichen Gott zu glauben, zur Verbreitung von Gottes Wort geeignet? Und kann man eine Religion aufräumen wie ein Zimmer? Die Kirche schweigt kleinmütig dazu. 

Doch wie kam es eigentlich zu Küstenmachers Spitznamen „Tiki“? Er stammt von seiner Mutter, die sich für den norwegischen Weltumsegler Thor Heyerdahl und sein Floß „Kon-Tiki“ begeisterte, das er nach dem Schöpfergott der Inka benannte. „Und tatsächlich scheint es“, so 2013 ein Kommentator der evangelikalen Nachrichtenagentur Idea, „irgendwie eine Wechselwirkung zwischen dem Spitznamen und der Sympathie Küstenmachers für die Mythologie zu geben.“

 www.kuestenmacher.com