© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/17 / 18. August 2017

Lesereinspruch
Kein Tiefpunkt

Zu: „Erdogan die Stirn bieten“ von Jürgen Liminski (JF 31-32/17)

Bei aller berechtigen Kritik am weichen Umgang mit Ankara ist dessen Vergleich mit dem Münchner Abkommen von 1938 unglücklich und in der Sache falsch. Denn dessen Ergebnis war nicht etwa „das hilflose Stammeln „‘peace in our time’ à la Daladier und Chamberlain“, sondern entsprach vielmehr dem Selbstbestimmungsrecht der Völker (in dem Fall vor allem der Sudetendeutschen) und korrigierte damit ein großes Unrecht vom Versailler Diktat. München markiert darob nicht den Tiefpunkt der europäischen Diplomatie, sondern vielmehr bis auf weiteres das letzte Abkommen mit einem feierlichen Kriegsverzicht, welches rein europäische Großmächte unter sich – ohne Einfluß von außen – friedlich zustande bringen konnten. Das Gefährliche an der im Artikel zutage tretenden Rezeption – die auch eine Madeleine Albright und ein Joschka Fischer vertraten und die im Grunde vor jedem Angriffskrieg des Westens bedient wird – ist, daß diese das Selbstbestimmungsrecht ignorieren muß, und den nun moralisch verbrämten künftigen Waffengang propagandistisch flankieren kann.

Miguel Venegas, Hamburg