© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/17 / 11. August 2017

Eine Studie mit politischen Hintergedanken
Einwanderergewalt: Ein Medienwissenschaftler beklagt, daß ungeschönt und ehrlich berichtet wird
Ronald Berthold

Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht ein aufsehenerregendes Verbrechen für Schlagzeilen sorgt. Ob der Messerstecher von Hamburg, der Schütze von Konstanz, die U-Bahn- und Treppenschubser von Berlin, die brutalen Vergewaltiger von Bonn und Freiburg, es sind fast immer Migranten – meist sogar Menschen, die mit der großen Flüchtlingswelle nach Deutschland kamen.

Nicht wenige Medien halten sich bei der Nennung der Herkunft der Täter immer noch zurück. So hat die „Tagesschau“ über den Iraker, der eine Diskothek in Konstanz mit einem Sturmgewehr überfiel, gar nicht berichtet. 

Der Druck auf manche Zeitungen wird steigen

Auch die Online-Seite der FAZ verweigert sich weitgehend einer hintergründigen Berichterstattung über die zunehmende Migrantenkriminalität. Andere Nachrichtenportale, wie die der Welt und der Bild, bilden die Wirklichkeit inzwischen ein wenig so ab, wie sie ist.

Daß dieses Vortasten nicht ohne Kritik bleiben würde, war zu erwarten. Die Leitung der „Macromedia Hochschule für Medien“ klagt nun an, Gewalt gegen Flüchtlinge werde kaum noch thematisiert. Statt dessen hätten Journalisten „gewalttätige Einwanderer als Angstfigur entdeckt“. Die Redakteurs-Ausbilder berufen sich dabei auf eine Studie, die ihr Dozent Thomas Hestermann durchgeführt habe.

Der frühere „Phönix“-Journalist wertete 283 Texte in überregionalen Zeitungen und 67 TV-Beiträge aus Nachrichtensendungen aus, die von Januar bis April 2017 veröffentlicht wurden. Sein Ergebnis: Deutsche Fernsehsender hätten in diesem Zeitraum viermal so häufig über Gewalt nichtdeutscher Tatverdächtiger berichtet wie 2014. Hestermann, der insgesamt rund zehn Jahre Redaktionsleiter der Fernsehdebattenreihe „Tacheles“ war, bestreitet nicht die Existenz der berichteten Fälle. Ihm mißfällt, daß über sie teilweise so informiert werde, daß klar werde, wer die Täter gewesen seien. Sein Vergleich mit 2014 hinkt schon deswegen, weil die Einwanderung von mehr als einer Million meist junger islamischer Männer erst ein Jahr später begann. Zudem stellte Gewalt von Ausländern, die auch damals schon große Ausmaße angenommen hatte, seinerzeit ein absolutes Tabu in deutschen Medien dar.

Dies gipfelte im viertägigen Totschweigen der Massenübergriffe von Silvester 2015. In vielen deutschen Städten hatten zum Jahreswechsel große Gruppen von Einwanderern Jagd auf feiernde Frauen gemacht. Vier Tage lang hatten die Leitmedien sich geweigert, über diese Verbrechen zu berichten. Erst der Druck aus den sozialen Netzwerken, verbunden mit heftiger Kritik am Journalismus, hatte zum Einlenken geführt. Aber auch dann dominierte noch die Verharmlosung, die sich in absurden Vergleichen mit Exzessen auf dem Münchner Oktoberfest äußerte – oder in der Warnung vor einem „Generalverdacht“. Daraus resultierte eine massive Vertrauenskrise, die bis heute anhält und für rapide fallende Auflagenzahlen sorgt.

Wenn sich nun eine Vervierfachung der Beiträge über Migrantengewalt ergibt, dann heißt das erst einmal gar nichts. Es kommt auf die Bezugsgröße an. Und die war 2014 sehr klein – nicht, was die Taten, sondern die Berichterstattung darüber anging. Der Medienwissenschaftler Hestermann wendet den Trick an, daß Ausländerkriminalität von 2014 bis 2017 angeblich „nur“ um ein Drittel zugenommen habe, die Berichterstattung darüber aber um 400 Prozent. Allerdings: Wenn damals praktisch nicht über Täter mit Migrationshintergrund informiert wurde, kann auch eine viermal so hohe Zahl an Beiträgen immer noch verschwindend gering sein.

Der Studienleiter bemängelt auch, daß heute nur noch halb so oft über nichtdeutsche Opfer von Gewalttaten berichtet werde wie vor drei Jahren. Daß in dieser Zeit schon die Backpfeife eines deutschen Viertkläßlers gegen einen ausländischen Klassenkameraden zum Aufmacher in mancher Zeitung unter der Rubrik „Rassismus“ taugte, während schwerste Organisierte Kriminalität arabischer Clans praktisch nicht vorkam, relativiert diese Äußerung.

Mit der Studie soll Politik gemacht werden – das steht außer Zweifel. Der Druck auf manche Zeitungen und Sender, zum Totschweigen zurückzukehren, wird steigen. Andererseits sind die Konsumenten kritischer geworden, weil das Informationsmonopol der Leitmedien durch die sozialen Netzwerke gebrochen ist. Redaktionen stehen vor der Frage, ob sie politisch korrekt bleiben oder Vertrauen zurückgewinnen wollen.