© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/17 / 11. August 2017

Luther schmähte den neuen Abgott
Sachsens erster Heiliger: Eine Ausstellung über Bischof Benno von Meißen
Paul Leonhard

Ach Benno du vil heilger man – Ach Luter du vil bößer man.“ Unter diesem Titel veröffentlicht Hieronymus Emser 1524 ein dreistrophiges Spottlied auf den Reformator Martin Luther. Der hatte gerade mit einem Schmähbrief gegen den „newen Abgott vond allten Teuffel der zu Meyssen sol erhaben werden“ gewettert. Gemeint war die soeben erfolgte Heiligsprechung des um 1106 verstorbenen Bischofs Benno im Meißner Dom.

Diese war zwar bereits seit dem 14. Jahrhundert beharrlich betrieben worden, aber daß Sachsen ausgerechnet seinen ersten Heiligen zu einem Zeitpunkt erhielt, als die Anhänger Luthers gegen die Anrufung von Heiligen als Fürbitter polemisierten, heizte den Konfessionsstreit an. Protestanten zerstörten das mit Ablaßgeldern finanzierte Benno-Grabmal im Meißner Dom und hätten wohl auch dessen Gebeine in die Elbe geworfen, wenn diese nicht samt Bischofshut und Krummstab von vorsichtigen Mönchen auf die bischöfliche Burg nach Stolpen gebracht worden wären.

Derzeit sind Stab, Mitra und einige Reliquien nach Meißen zurückgekehrt. Sie gehören zu den Glanzstücken der Ausstellung „Ein Schatz nicht von Gold. Benno von Meißen – Sachsens erster Heiliger“ auf der Albrechtsburg. Sachsen setze diese Schau „bewußt als Kontrapunkt gegen den üblichen Reigen der Reformationsausstellungen“, sagt Christian Striefler, Geschäftsführer der Staatliche Schlösser, Burgen und Gärten gGmbH. „Es war uns wichtig, am Beispiel Bennos zu zeigen, wie wichtig in der Geschichte, nicht nur in der Zeit der Reformation, Symbolpolitik war und noch immer ist“, betont der ehemalige Regierungssprecher.

Ein tiefsinniger Satz, denn dem Heiligen werden zwar zahlreiche Wunder zugeschrieben – er soll über Wasser gewandelt sein, mindestens 37 Verstorbene zum Leben erweckt, 46 Blinde sehend und neun Taube hörend gemacht, 626 Kranke geheilt haben –, über den historischen Benno weiß man aber nur wenig. Die Quellenlage ist dünn.

Von Heinrich IV. des Hochverrats bezichtigt

Geboren wurde er wohl um 1010 in der Nähe des niedersächsischen Hildesheim, angeblich als Sohn des sächsischen Grafen Friedrich von Woldenburg. Historische Quellen erwähnen ihn erstmalig 1062 als Hofpriester von König Heinrich IV., dem Herrscher des Heiligen Römischen Reiches. Dieser ernennt Benno 1066 zum zehnten Bischof des 968 von Otto dem Großen gegründeten Bistums Meißen.

Als Reichsfürst war Benno dem König zur Treue verpflichtet, als Bischof dem Papst. Vergeblich versuchte er sich aus dem Investiturstreit herauszuhalten, bei dem es darum ging, wer Bischöfe und Äbte in ihr Amt berufen durfte. Auch verweigerte er dem König 1073 seine Unterstützung beim Feldzug gegen aufständische Sachsen. Heinrich beschuldigte den Bischof schließlich des Hochverrats und ließ ihn einsperren, da dieser ihm „keinen Beweis seiner ungebrochenen Treue“ erbracht hatte.

Als Benno zwei Jahre später freikam, stellte er sich prompt mit anderen Bischöfen auf die Seite des Papstes und der Sachsenfürsten und plädierte wie diese für die Wahl eines Gegenkönigs. Erst als Benno erneut die Fronten wechselte und dem von Heinrich IV. ernannten Gegenpapst die Treue gelobte, durfte er als Bischof nach Meißen zurückkehren. Fortan widmete er sich der friedlichen Vergrößerung seines Bistums, der Missionierung der Sorben, dem Kirchengesang und dem Kirchenbau. Außerdem soll er den Weinbau nach Meißen gebracht haben. 

Gleich zu Beginn des Ausstellungsrundgangs wird der Besucher mit sehr persönlichen Fragen konfrontiert: Was halten Sie vom Glauben? Ist Ihnen schon einmal ein Wunder begegnet? Was sind für Sie die Schätze der Kirche? Kennen Sie Heilige? Die Antworten geben Passanten des jüngsten Katholikentages und eines kirchlichen Großereignisses in München, die die Ausstellungsmacher per Kamera befragt haben und deren Reaktionen per Videoendlosschleife gezeigt werden. München wurde gewählt, weil der heilige Benno seit 1580 Schutzpatron der Stadt und des Landes Bayern ist. Seinerzeit erwarb Herzog Albrecht V. die aus Sachsen geretteten Reliquien und übergab sie der Liebfrauenkirche.

Von dort sind der Bischofsstab sowie ein Ende des 16. Jahrhunderts gefertigtes Silberreliquiar des heiligen Benno für einige Monate nach Meißen zurückgekehrt. Der ausgestellte Reliquienschrein mit Rippenpartikeln stammt aus der Bautzner Domschatzkammer, die Mitra aus der Dresdner Hofkirche, eine Reliquie aus der St.-Benno-Kirche Meißen, das Gemälde von Bennos Fischwunder von Carl Saraceni aus der römischen Kirche Santa Maria dell’Anima.

Auf 400 Quadratmetern Fläche in sechs abgedunkelten Räumen sind 210 Exponate plaziert, darunter Skulpturen, Gemälde, Münzen, geistliche Gewänder und prächtige Handschriften wie die Heiligsprechungsurkunde und eine Ablaßurkunde über den Besuch des Benno-Grabes aus dem 13. Jahrhundert. Dank historischer Zeugnisse und innovativer Medien erhält der Besucher faszinierende Einblicke in die immateriellen Schätze der Kirche, in Alltag und Frömmigkeit weit zurückliegender Jahrhunderte und die politischen Auseinandersetzungen der damaligen Zeit, in die auch Benno geriet. Auch Mirakelbücher sind ausgestellt, in denen die von Benno vollbrachten Wunder beschrieben sind.

Auch wenn die Wunden im Konfessionsstreit um die Heiligsprechung Bennos von Meißen längst verheilt seien, will Kuratorin Claudia Kunde mit der Benno-Ausstellung „der Stein im Schuh des Gedenkjahres“ der Reformation sein. Deswegen gibt es sogar eine touristische Bennoroute als Alternative zum Lutherweg.

Die Ausstellung auf der Albrechtsburg Meißen, Domplatz 1, ist bis zum 5. November täglich von 10 bis 18 Uhr zu sehen. Telefon: 0 35 21 / 4707-0

 https://benno.schloesserland-sachsen.de