© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/17 / 11. August 2017

Problemfall Libyen
Getrennte Wahrnehmung
Marc Zoellner

Schon ein flüchtiger Blick auf die Machtfrage im Großraum Tripolis verdeutlicht das Dilemma in dem seit dem Sturz Gaddafis 2011 zwischen unterschiedlichen Clans völlig zersplitterten Libyen: Mit der international nicht anerkannten Nationalen Heilsregierung, der UN-gestützten Regierung des Nationalen Einklangs sowie Milizen aus dem Umfeld der radikalislamischen Ansar al-Scharia haben gleich drei widerstreitende Fraktionen in der Hauptstadt ihr Hauptquartier aufgeschlagen. Der amtierende Präsident Fayiz as-Sarradsch erweist sich, als Mann ohne eigenes Militär, als Spielball divergierender Interessen unzähliger Stämme, Parteien und religiöser Bewegungen. Hinzu kommt die stete Bedrohung aus dem Osten: General Chalifa Haftar, der Machthaber in Tobruk, der gern damit droht, seine libysche Armee nach Tripolis vorstoßen zu lassen.

Das gespaltene Libyen zieht weite Kreise – und spaltet nicht zuletzt auch die federführenden Staaten der Europäischen Union. Mit wem ist überhaupt noch zu verhandeln bei Grenz- und Flüchtlingsproblemen? Wer wird in den kommenden Monaten noch regieren, wer vielleicht bereits gestürzt sein? Schon jetzt gehen Frankreich und Italien getrennte Wege in der Libyenfrage – und bieten somit Ägypten und ebenso Rußland die offene Flanke an, das künftige Schicksal Libyens ganz ohne Mitsprache der EU zu gestalten.