© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/17 / 28. Juli / 04. August 2017

Knapp daneben
Hochschulreife auf Widerruf
Karl Heinzen

Junge Leute scheinen den Spaß am Feiern mehr und mehr zu verlieren. Gingen einer Handelsblatt-Umfrage zufolge vor vier Jahren noch 53 Prozent von ihnen mindestens zwei Mal pro Woche aus, sind es heute gerade einmal 36 Prozent. Der Trend zum Stubenhocken ist aber nicht allein darauf zurückzuführen, daß die Kosten für jegliches Vergnügen außerhalb der eigenen vier Wände explodiert sind. Es mangelt vor allem an Zeit und Kraft, um das Leben zu genießen. Wer eine Hochschule besucht, wird im Eiltempo durch seinen Studiengang gepeitscht. 

An G8-Gymnasien strapazieren Nachmittagsunterrichte und mit Blödsinn vollgepfropfte Lehrpläne Freizeit und Tatendrang der Schüler. Der „lost Generation“, die diese Bildungsexperimente über sich ergehen lassen mußte, ist nicht mehr zu helfen. Sie hat nur die Aussicht, nach einem fordernden Berufsleben und später Verrentung dem Ende, allenfalls durch ein paar Kreuzfahrten gewürzt, entgegenzudämmern.

Wer nach seinem Abitur abhängt, muß akzeptieren, daß man ihm die Hochschulreife wieder aberkennt.

Einen Hoffnungsschimmer gibt es aber vielleicht für jene, die auf diese Generation folgen. Die westlichen Bundesländer, die seit 2011 die Gymnasialzeit von neun auf acht Jahre verkürzt hatten, kehren Schritt für Schritt zur alten Regelung zurück. Allerdings ist es nicht Menschenliebe, die das Umdenken der Kultuspolitiker angestoßen hat. Sie mußten vielmehr erkennen, daß die ursprüngliche Zielsetzung des Turbo-Abiturs nicht zu erreichen ist. Anstatt nach ihrem Schulabschluß mit 17 verzugslos das Studium aufzunehmen, um mit 21 auf den Arbeitsmarkt zu drängen und in die Rentenkasse einzuzahlen, legen die meisten Abiturienten erst einmal ein Jahr Pause ein. Nur eine verschwindende Minderheit beruhigt wenigstens ihr Gewissen, indem sie freiwillig irgendwelchem Sozial- oder Umweltkitsch dient. Die meisten gammeln einfach nur herum. 

Diesen provozierenden Müßiggang darf sich unsere Gesellschaft aber nicht bieten lassen. Bildungsabschlüsse sollte es daher wie Führerscheine nur noch auf Probe geben. Wer nach seinem Abitur bloß orientierungslos abhängt, muß auch akzeptieren, daß man ihm die Hochschulreife wieder aberkennt.