© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/17 / 28. Juli / 04. August 2017

„Soll die zivilisierte Welt denn ganz zu einem Feld des Todes werden?“
Im August 1917 versuchte Papst Benedikt XV. vergeblich, mit einem Friedensappell das Töten auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs zu beenden
Karl Sternau

Papst Benedikt XV. wählte mit dem 1. August 1917 ganz bewußt den dritten Jahrestag des Kriegsausbruches als Datum für sein Schreiben „Dès le début“. Aus diesem nach den ersten drei Worten benannten Schriftstück stammt das Zitat in der Überschrift. Das Kirchenoberhaupt ließ es am 9. August an die kriegführenden Mächte übergeben und unterbreitete darin einen Kompromißfrieden. Doch der Vorschlag kam nicht aus heiterem Himmel, sondern war bereits länger geplant.

Als „Franzosenpapst“ (Ludendorff) oder „le pape boche“ (Clemenceau) wurde Benedikt XV. bezeichnet, der kurz nach Kriegsbeginn zum Papst gewählt wurde. Dennoch kämpfte er von Anfang an trotz der Anschuldigungen stets neutral für einen Frieden. Der Versuch, Italien am Kriegseintritt zu hindern, scheiterte jedoch ebenso wie die vorgeschlagene Waffenruhe zu Weihnachten. 

Da die Mittelmächte den Heiligen Vater bereits im Dezember 1916 für ihr Friedensangebot um Unterstützung gebeten hatten, entschied sich Benedikt XV. bei dieser Seite anzusetzen. Eugenio Pacelli, der Nuntius in München und spätere Papst Pius XII., begann im Juni 1917 Vorverhandlungen mit dem Deutschen Reich zu führen. Die Gespräche mit Reichskanzler Theodor von Bethmann Hollweg verliefen erfreulich, was Pacelli veranlaßte, dem Heiligen Stuhl mitzuteilen, daß es eine reale Chance auf Frieden gebe. Während der Julikrise kam es allerdings zum Kanzlerwechsel, was auch Auswirkungen auf die Sondierungen des Vatikans hatte. Nachdem sich der, ohnehin nicht mehr so positive, Austausch mit dem neuen Reichskanzler Georg Michaelis auch noch verzögerte, entschied sich Benedikt XV., seinen Friedensappell an die Kriegsmächte zu übergeben.

In Frankreich löste die Note des Papstes Empörung aus

Neben einem moralischen Aufruf zum Frieden verlangte der Papst Rüstungsbeschränkungen, internationale Schiedsgerichte und die Freiheit der Meere. Die besetzten Gebiete müßten zudem geräumt werden, konkret Belgien und die deutschen Kolonien. Der schwierigste Punkt des Papstschreibens dürfte jener der territorialen Streitfragen, wie beispielsweise Elsaß-Lothringen, gewesen sein, da die Mächte diese versöhnlich selbst klären sollten. 

Die Friedensnote löste heftige Reaktionen in der Öffentlichkeit aus, nachdem sie – gegen den Willen des Heiligen Vaters – von der Ententepresse publiziert worden war. Besonders in Frankreich stieß die Friedensaktion auf scharfe Ablehnung, wo sogar die Mehrheit der Bischöfe den Vorschlag ihres Oberhauptes mißbilligte. Im Deutschen Reich lobte Michaelis im Reichstag die Friedensinitiative ausdrücklich. Bewußt umging er dabei eine Auseinandersetzung mit den einzelnen Forderungen.

Die erste offizielle Antwortnote erfolgte von den USA am 27. August und ließ verlauten, daß die Vereinigten Staaten einen Frieden nur nach dem Ende der Monarchie in Deutschland schließen würden. In der Folgezeit versuchte der Vatikan schließlich, das Deutsche Reich zu einer konkreten Zusage in der Belgien-Frage zu bewegen, was der Heilige Stuhl als letzte Möglichkeit für einen Frieden betrachtete. Letztendlich blieb die erhoffte Erklärung in der deutschen Antwortnote vom 19. September aus. Michaelis äußerte sich, ebenso wie kurz später die anderen Mittelmächte, erneut nur auf allgemeiner Ebene. An dieser Stelle mußte Benedikt XV. spätestens einsehen, daß seine Initiative gescheitert war. Das Grundproblem lag jedoch nicht in der Belgien-, sondern in der Elsaß-Lothringen-Frage. Keine Seite war bereit, in diesem Punkt nachzugeben.

Trotz des Scheiterns konnte Benedikt XV. das internationale Ansehen des Vatikans, auch durch sein humanitäres Engagement, enorm steigern. Nach 1918 setzte der Papst seine Hilfsleistungen, für die er sogar aus seinem Privatvermögen hohe Summen spendete, uneingeschränkt fort. Den Versailler Vertrag charakterisierte er als „rachsüchtiges Diktat“ und bedauerte, daß es keinen Frieden nach dem Gebot der Nächstenliebe gegeben habe.