© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/17 / 28. Juli / 04. August 2017

Ein Abend der Enthüllungen
Kino: In der Tragikomödie „The Party“ von Sally Potter zerlegt sich ein linksliberaler Freundeskreis
Claus-M. Wolfschlag

Zu einem Umtrunk lädt das gutsituierte Londoner Ehepaar Janet (Kristin Scott Thomas) und Bill (Timothy Spall) einige enge Freunde ein. Der ganze Kreis gehört dem in die Jahre gekommenen, aber immer noch betont linksliberalen Milieu an. Nach langen Jahren des Kampfes ist man endlich an den Futtertrögen der Macht angelangt. Janet wurde nämlich zur neuen Gesundheitsministerin im Schattenkabinett ernannt, was sie als Krönung ihrer politischen Laufbahn ansieht. „Sie sieht aus wie eine Frau, denkt aber wie ein Mann. Eine androgyne Seele“, äußert eine Freundin über sie.

Die frohe Kunde soll mit den alten Weggefährten gefeiert werden, doch die Freude ist nicht ganz einhellig. Auch Skepsis und Mißgunst ist bei manchen der Gäste der kleinen Party spürbar, vor allem von seiten der Altlinken April (Patricia Clarkson). Diese erinnert Janet an viele einstige Demos und die von ihr bis heute geteilte Auffassung, daß die parlamentarische Demokratie nichts an den verkrusteten Verhältnissen ändere. Nur die direkte Aktion könne zum gesellschaftlichen Fortschritt führen.

Rasch wird klar, daß die Szenerie von intriganten, feministischen Karrierefrauen bestimmt ist. Die junge Lesbe Jinny (Emily Mortimer) bekommt dank einer künstlichen Befruchtung Drillinge. Sie ist liiert mit der wesentlich älteren Professorin Martha (Cherry Jones), die an der Universität über „geschlechtsspezifische Differenzierungen“ unterrichtet. „Eine erstklassige Lesbe und eine zweitklassige Denkerin“, äußert trocken die Zynikerin April zu ihr. Als Martha bekennen muß, vor vielen Jahren einmal Sex mit einem Mann gehabt zu haben, ruft ihre entsetzte Partnerin verständnislos: „Du hattest einen Mann in dir drin? Ich bin angeekelt.“

Die Männer der Runde wirken entweder apathisch, weich oder krank. Dem scheinbar teilnahmslosen Weintrinker Bill wird an den Kopf geworfen, er solle sich „hinter seinem Alphaweibchen hertrollen, ohne sich zu beschweren“. Aprils Mann Gottfried (Bruno Ganz), ein esoterischer Heiler, wird aufgrund seiner deutschen Herkunft als „Nazi“ mundtot zu machen versucht, worauf eine kurze Diskussion entsteht, inwieweit man für die Sünden seiner Eltern mitverantwortlich sei. Sünde sei aber für Atheisten ein falscher Begriff, widerspricht eine der Freundinnen. Schließlich ist da noch der koksende jüngere Banker Tom (Cillian Murphy), über den gelästert wird, er verfüge über die „rätselhafte Fähigkeit, „Millionen mit dem Unglück anderer zu machen“.

Die Meinungsverschiedenheiten und Sticheleien eskalieren schließlich, als Bill, für den stets der soziale Status, nicht aber Diäten oder Sport für die Gesundheit maßgeblich waren, mit zwei Enthüllungen herausplatzt. „Jeder von uns tarnt sich“, resümiert Janet daraufhin.

„The Party“ ist ein Kammerstück, das nur innerhalb eines Londoner Stadthauses spielt, und dies 71 Minuten in Echtzeit. Ähnliches hatte Roman Polanski bereits 2011 mit „Der Gott des Gemetzels“ ausprobiert, allerdings eine Spur hysterischer. Wer harte Gesellschaftskritik erwartet, dürfte von dem achten Kinofilm der britischen Regisseurin und Drehbuchautorin Sally Potter enttäuscht sein. Doch Stiche wider das postfeministische und linksliberale Establishment sind durchaus wahrnehmbar, wenngleich sie in leichter und humorvoller Weise vorgetragen werden.