© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/17 / 28. Juli / 04. August 2017

Dorn im Auge
Christian Dorn

Jede Stimme gegen Links“, „Maulschellen für alle“ oder „Black lives fat, yeah“ – die Losungen auf dem CSD Berlin schreien danach, verulkt zu werden. Doch wirklichen Mut, fast schon Originalität beweist nur ein dicklicher schwarzer Jugendlicher am Rand der Tauentzienstraße, auf dessen T-Shirt der Spruch „It’s all right to be straight“ prangt. Wir grinsen uns an. Denn die gesellschaftspolitische Vorgabe heute ist eine andere. Jeder teilnehmende Wagen muß das ideologische Mantra „Mehr von uns – Jede Stimme gegen Rechts“ präsentieren. Ironisch wirkt da die Mahnung auf den Schildern zweier Männer: „Wähle nur Parteien, die für deine Rechte kämpfen.“ Mit Wortwitz versucht es auch Jacky-Oh Weinhaus, Sprecherin des Berliner CSD-Parteitages, als sie bekennt, unsere Gesellschaft sei „keine homogene Masse“. Auch „Heterosexuelle“ wären wohl hier, „wobei ich glaube, daß das ja echt aus der Mode ist“. Hämisches Gelächter darauf bringt die Tunte-Tante aus dem Konzept: „Ähm, jetzt hab ich voll den Faden verloren, das tut mir natürlich voll leid.“ Schließlich warnt sie vor den 168 AfD-Parlamentariern, da es „viel zu viele Nazis auf der Welt gibt“.


Dennoch fehlen diesmal die schizophrenen, weil austauschbaren Motti „Kein Sex mit Nazis“ sowie „FCK NZS“ oder „FCK AFD“. Dies dürfte dem Häuflein von AktivistA, dem Verein zur Sichtbarmachung von Asexualität nicht auffallen – hier kann „wahre Liebe“ warten bis zum Jüngsten Tag. So trägt sich eine mit der Frage: „Wenn ich nicht existiere: Muß ich trotzdem Steuern zahlen?“ Erstmals dabei ist die Evangelische Kirche in Berlin mit der frohen Botschaft „Trau Dich! # Trauung für alle in unseren Kirchen“. Die Linke marschiert hinter dem Banner „Grenzenlos queer statt national beschränkt!“, in der Mitte gehalten von Kultursenator Klaus Lederer, der ein „Refugees welcome“-Shirt trägt – ihm fehlt der Blick zu dem Mädchen mit dem Schild: „Nein zur Gewalt an LGBT*IQ“-Geflüchteten in den Unterkünften“. Der DGB-Wagen wirbt derweil mit „Cool, mein Lehrer ist schwul“. Ein adipöses Mädchen im T-Shirt des Klinikkonzerns Vivantes („Wir sind Vielfalt“), das kein Deutsch spricht, offeriert auf einem Schild „Blowjobs against racism!“ – auf meine Frage, wie das in der Praxis funktioniere, erklärt sie, das sei nur „Fun“. Leider vergesse ich sie zu belehren, daß sie gerade „Fake News“ verbreitet. Schließlich stimmt die Choreographie aber doch, als zum sintflutartigen Regen die Weather Girls über Lautsprecher verkünden: „It’s raining men, hallelujah!“