© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/17 / 28. Juli / 04. August 2017

Hauptsache ein kulantes Schuldenregime
Frankreich: Anne Fulda liefert ein stimmiges Psychogramm des früheren Wirtschaftsministers und jetzigen Staatspräsidenten Emmanuel Macron
Albrecht Rothacher

Daß Emmanuel Macron französischer Staatspräsident wird, darauf vertrauten auch viele Publizisten. Nicolas Prisette oder das Duo Caroline Derrieu und Candice Nedelec lieferten lobhudelnde Hagiographien, die nun noch von der Macromania der deutschen Berichterstattung übertroffen wurden. Anne Fuldas Buch ist hingegen lesenswert, auch wenn eine gute Biographie eigentlich erst am Abschluß eines Lebenswerks stehen kann. Die Figaro-Redakteurin schildert nicht nur die merkwürdige emotional-intellektuelle Beziehung zu seiner Großmutter und die Heirat mit seiner 24 Jahre älteren Lehrerin, sondern Fulda dokumentiert Macrons eigenartigen Charakterzug, stets relevanteren Älteren gefallen zu wollen, während ihm Gleichaltrige beiderlei Geschlechts gleichgültig blieben.

Dies fing an der Schule an und setzte sich an den Elitehochschulen Sciences Po und Ena nahtlos fort. Immer wollte der Strebsame als Klassenbester auch Liebling seiner Lehrer und Professoren sein. Später suchte er sich systematisch ältere Mentoren aus: von dem Ökonomen und Mitterrand-Berater Jacques Attali und dem Ex-Premier Laurent Fabius über den Bankier David de Rothschild bis zu den einst führenden Sozialisten Manuel Valls und François Hollande.

Fulda schreibt nur wenig über Macrons politische Programmatik. Warum? Weil es diese nur in vagen Umrissen gab und gibt. Als sozialistischer Wirtschaftsminister hat er die Sonntagsöffnung für Läden in Tourismuszonen erlaubt und mit ein paar kessen Reden die Betonköpfe im Parti socialiste provoziert. Im Wahlkampf 2017 verkündete Macron in seinen messianischen Reden, „nicht rechts, nichts links zu sein“ und alle zu lieben. Er redete jedem nach dem Mund: Zehn-Milliarden-Investitionen gegen die Arbeitslosigkeit, die Sozialprogramme der gescheiterten Hollande-Regierung umsetzen, mehr Geld für Polizei und Militär, ein kulantes Schuldenregime für Griechenland. Eurobonds sollen die unbezahlbaren französischen Staatsschulden (2.040 Milliarden Euro, Tendenz stark steigend) refinanzieren.

Auf wessen Kosten? Macrons Faible für Deutschland ist wohl nicht ganz uneigennützig. Die dringenden Arbeitsmarkt- und Steuerreformen blieben im Unbestimmten. Auf Wahlveranstaltungen der Macronisten berichteten politisch unbedarfte Angehörige der „Zivilgesellschaft“, die von ihm zu Parlamentskandidaten auserkoren worden waren, mit leuchtenden Augen vom großen Meister und schwafelten von großen gemeinsamen Visionen für Frankreich und Europa.

Anne Fulda liefert ein stimmiges Psychogramm des 39jährigen Mannes. Doch was Macron mit der Macht seines Amtes und seiner Führerpartei eigentlich machen will, weiß leider noch niemand, mutmaßlich nicht einmal er selbst.

Anne Fulda: Emmanuel Macron. Die Biographie Aufbau-Verlag, Berlin 2017, gebunden, 224 Seiten, 18 Euro