© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/17 / 28. Juli / 04. August 2017

Fliegen mit Bauchschmerzen
Reisebranche: Wenn Airline-Pleiten oder windige Ersatzflugzeuge den Sommerurlaub beschweren
Heiko Urbanzyk

Wer Urlaubsflüge gebucht hat, kommt mit seinen Sorgen kaum zur Ruhe. Erst die Diskussionen über planmäßig überbuchte Flüge und die Gefahr, des Fluges verwiesen zu werden, vor einigen Monaten. Dann ließ die Nachricht der drohenden Pleite von Air Berlin das Herz der Urlauber in die Hose rutschen. Hinterher jagten die Horrorgeschichten, bei Reiseantritt auf klapprige Ersatzflieger umgeleitet zu werden.

Welche Rechte hat der Reisende überhaupt im Falle der Pleite seiner Fluglinie? Der Rechtswissenschaftler Ernst Führich erklärt auf reiserecht-fuehrich.de, daß der Kunde einen Anspruch auf Beförderung habe. Nach der Insolvenz ist dieser unmöglich durchzusetzen. Es bestehe für den Kunden daher ein Rücktrittsrecht vom Luftbeförderungsvertrag mit Rückerstattung des Ticketpreises.

Eine Pauschalreise schützt vor Pleiten von Fluglinien

Praktisch ist man aber Gläubiger wie andere Forderungsinhaber und muß damit rechnen, als nicht bevorrechtigter Gläubiger gar kein Geld zurückzubekommen.“ Führich ist einer der führenden Reiserechtler der Bundesrepublik und Herausgeber entsprechender Kommentarliteratur für praktisch tätige Juristen im Reisevertragsrecht. Wer trotz niedriger Erfolgsaussichten auf Rückzahlung des Geldes einer Pleite-Linie pocht, müsse sich an diese wenden und dort den Betrag zurückfordern.

„In der Regel“, so Führich, „bekommt er auch den Insolvenzverwalter genannt, der die Forderungen sammeln muß und mit dem Insolvenzgericht eine prozentuale Quote wie zum Beispiel 20 Prozent der Erstattung errechnet.“ Eine vollständige Erstattung sei jedoch sehr selten. Eine mögliche Rückerstattung steht nämlich erst nach Beendigung des Insolvenzverfahrens aus, nachdem die vorrangigen Gläubiger bedient worden sind. Im Volksmund geistern im Insolvenzfalle Rückerstattungsquoten von Null-Komma bis zum unteren einstelligen Prozentbereich; dies ist problemlos auch im Falle von Fluggesellschaftspleiten, Unternehmen wie andere auch, die Richtschnur.

Folgeschäden der Pleite und daraus folgender Flugausfälle wie Hotelkosten, Parkhaus oder Koster einer vergeblichen Anreise würden nicht ersetzt. Eine schuldhafte Pflichtverletzung, die derartige Ansprüche begründet, stellt die Insolvenz nämlich nicht dar. Und wenn schon: Pleite bleibt pleite! Beim Schuldner wäre nichts zu holen.

Da eine insolvente Gesellschaft keine Geschäfte mehr führen darf, kann sie auch keine Ersatzflüge mehr buchen. Andere Fluggesellschaften können die Gäste der Pleiteflieger zwar übernehmen – jedoch ohne Rechtsanspruch des Reisenden und mit der Gefahr von Mehrkosten des Ersatzanbieters.

Kein Wunder, daß mit Blick auf derart unsichere Rechtspositionen des Fluggastes im Pleitefall mittlerweile vor allzu weit im voraus gebuchten Flügen gewarnt wird. Michael Sittig, Rechtsexperte bei der Stiftung Warentest, warnt: „Sehr lange Vorlaufzeiten von einem Jahr würde ich mir gut überlegen“. Angesichts der Berichte über Air Berlins wirtschaftliche Schieflage sei für niemanden absehbar, wie lange es das Unternehmen noch gebe.

Abgesichert bei Airline-Insolvenzen ist zur Zeit allein, wer ein Reisepaket bei einem entsprechenden Reiseveranstalter bucht. „Bei der Pauschalreise ist der Verbraucher ganz gut geschützt“, meint André Schulze-Wethmar, vom Europäischen Verbraucherzentrum. Das bestätigt auch Reiserechtler Führich. Vertragspartner des Reisenden sei nicht die insolvente Airline, sondern der Reiseveranstalter. Dieser müsse sich um einen Ersatzflug bemühen.

Sei die Reise verspätet, falle sie aus oder sei die Reise beeinträchtigt, „kann der Reisende den Reisepreis angemessen mindern und Schadensersatz bei Folgeschäden verlangen.“ Reiseveranstalter müssen ihren Kunden außerdem einen Sicherungsschein ausgeben, erklärt Schulze-Wethmar. Damit weisen die Anbieter nach, daß sie gegen eine Insolvenz versichert sind. Geht der Veranstalter pleite, bekommt der Kunde sein Geld von der Versicherung.

Einen weiteren Trick verrät Führich für Kreditkartenzahler: Der Kunde könne bei seiner Kreditkartenbank so lange der Zahlung widersprechen, wie die Zahlung noch nicht auf dem Konto der Airline gutgeschrieben sei. „Daher rate ich, die Erstattung des Gezahlten bei der Kreditkartenbank bzw. bei dem Reisevermittler – der für die Bank den Zahlungsversuch entgegengenommen hat – so schnell wie möglich zu beantragen, da möglicherweise die Forderung der Bank noch nicht der Airline in Rechnung gestellt wurde.“

Gesetzesentwürfe zur Behebung der Schutzlücken für Verbraucher geistern durch die EU-Bürokratie, und auch im Bundestag ist das Thema angekommen. Entsprechende Änderungen bereits bestehender Regelwerke für den Insolvenzfall stehen noch aus und dürften für den jetzt anstehenden Sommerurlaub keine Option sein, auf die der Erholungssuchende bauen kann.

Billige Subunternehmersorgen für Extrarenditen

Was tun beim Flug mit billigen Subunternehmern? Code-Share-Flüge heißt es, wenn Fluggesellschaften, auf deren guten Namen der Kunde vertraut, billige Subunternehmer unter ihrer Flagge fliegen lassen. Im Falle von Air Berlin wurden Flüge in den Nahen Osten von der spanischen Chartergesellschaft Privilege Style durchgeführt, bei denen das Durchschnittsalter der Maschinen 19 Jahre beträgt. Der portugiesische Flieger Hi Fly, der bei Flugausfällen bei Norwegian oder Condor zum Einsatz kommt, kommt auf 16 Jahre, der tschechische Vertragspartner Smart Style immerhin noch auf elf Jahre. Die Lufthansa teilt sich Flüge mit der billigeren, aber recht modernen Staatslinie Air China: Flugzeugalter im Schnitt sechs Jahre. Wer die Gourmet-Küche von Air France erwartet, dem kann es passieren, daß er bei Delta Airlines nur die barsche Frage gestellt bekommt: „Chick’n or pasta?“

Das Code-Share-Verfahren müssen sich auch zahlungskräftige Premium-Urlauber gefallen lassen. „Auch wenn sie auf ihrer Reise etwa den Standard eines bestimmten Anbieters bevorzugen, müssen die Passagiere die Beförderung durch das Flugzeug eines anderen Unternehmens akzeptieren“, erklärt Alexander Skribe. Der promovierte Jurist ist Vertragsanwalt des Verbraucherschutzportals fairplane.de. Die gute Nachricht des Juristen: Baut die Billig-Airline Mist, bleibt Anspruchsgegner für Ersatz- und Entschädigungsleistungen die renommierte Fluggesellschaft, bei der man gebucht hat. 

Die EU-Fluggastrechteverordnung (EG 261/2004) gesteht dem geschädigten Fluggast entsprechende Rechte zu. Das Luftfahrtbundesamt (LBA) überwacht die Durchsetzung der Fluggastrechte und ist zugleich Schlichtungsstelle zwischen Verbraucher und Fluglinien. Alle nötigen Informationen finden Verbraucher leicht verständlich auf den Netzseiten des LBA. Wer diesen Sommerurlaub „nur“ mit Flugverspätungen, Ausfall oder Abweisung am Check-in aufgrund Überbuchung seiner Maschine zu kämpfen hat, kann auf ein gutes System der Absicherung bauen. Alle anderen könnten bei sommerlichen Temperaturen im Regen stehen.

Schlichtungsstellen Luftverkehr:  soep-online.de  www.lba.de