© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/17 / 28. Juli / 04. August 2017

Kampf ums politische Überleben
Bundeswehr: Ein Verbleib von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen im Amt nach der Bundestagswahl wird immer unwahrscheinlicher
Peter Möller

In diesem Jahr fällt die Sommerpause im politischen Berlin denkbar kurz aus. Die meisten Akteure starten bereits nach einigen Tagen Urlaub in die heiße Phase des Wahlkampfes. Für Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen gilt dies in verschärfter Form. Die CDU-Politikerin kann sich keine Pause leisten – sie wird bis zum Ende der Legislaturperiode im Oktober weiter unablässig um ihr politisches Überleben kämpfen müssen. Denn der Gegenwind aus den Reihen der Bundeswehr weht der Ministerin, die versucht hatte, sich angesichts mehrerer vermeintlicher Skandale in der Truppe und dem Terrorverdacht gegen den Oberleutnant Franco A. als entschlossene Aufklärerin zu präsentieren, immer stärker ins Gesicht.

Daran ändert auch das nun ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen zu den Vorgängen in der Staufer-Kaserne im baden-württembergischen Pfullendorf wenig. Das Gericht bestätigte in der vergangenen Woche die Entlassung von zwei Zeitsoldaten und zwei Wehrdienstleistenden aus der Truppe. Den Soldaten wird von der Bundeswehr vorgeworfen, sie hätten mit der Teilnahme an überzogenen Aufnahmeritualen in der Staufer-Kaserne ihre Dienstpflichten verletzt. Sie waren daraufhin Anfang des Jahres entlassen worden und hatten zusammen mit weiteren Vorkommnissen die Diskussion über die Bundeswehr ausgelöst, die von der Leyen in die schwerste Krise ihrer bisherigen politischen Karriere gestürzt hat. 

Die Generäle rebellieren gegen ihre Chefin

Der Vorwurf: Sie habe sich auf Kosten der Truppe ohne Rücksicht auf Verluste als entschlossene Aufklärerin zu inszenieren versucht, anstatt sich öffentlich vor ihre Untergebenen zu stellen und die Vorwürfe zunächst intern untersuchen zu lassen.

 Besonders mit der Entlassung des für die Ausbildung in der Bundeswehr verantwortlichen Generalmajors Walter Spindler hat die Ministerin viel Porzellan zerschlagen. In einem Interview mit den Stuttgarter Nachrichten ging der auf einen Verwaltungsposten abgeschobene General, der auch über die mittlerweile weitgehend widerlegten Vorwürfe von weiteren erniedrigenden Ausbildungspraktiken in Pfullendorf gestürzt war, jetzt hart mit dem Krisenmanagment der Verteidigungsministerin ins Gericht. „Diese stil- und würdelose Art, die Mißtrauen schürt und die Bundeswehr in eine Loyalitäts- und Vertrauenskrise stürzt, wird mir immer fremd sein“, sagt Spindler. Ihn habe zutiefst verletzt, „daß mir unterstellte Soldatinnen und Soldaten, aber auch Standorte wie Pfullendorf oder Sondershausen durch das Ministerium und seine Leitung pauschal, beständig und in einem verantwortungslosen Maße beschädigt wurden. Mit Vorwürfen, denen in ihrer Absolutheit jedwede Grundlage fehlte“, kritisierte der geschasste General und weiß damit viele Offiziere und Soldaten hinter sich.  

Das zeigt auch die erneute Kritik des in der Truppe hoch angesehenen und immer noch als einflußreich geltenden pensionierten Bundeswehr-Generals Christian Trull. Der Stuttgarter Zeitung sagte Trull, er frage sich, warum die militärische Führung der Bundeswehr die Kritik der Ministerin unwidersprochen hinnehme. „Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften leisten unter schwierigen Bedingungen täglich Außergewöhnliches, und die ganz überwiegende Zahl von ihnen macht den Streitkräften und der Nation Ehre.“ Seine Kritik an von der Leyens Amtszeit fällt vernichtend aus: „Bei der aktuellen politischen Führung ist es vor allem ihre Neigung zu Pauschalierungen, Übertreibungen und Alarmismus , die viele Soldaten befremdet. So kann nicht geführt werden.“

 In der Bundeswehr wird vor einem Klima des Verdachts gewarnt, das die Atmosphäre innerhalb der Truppe dauerhaft vergiften könnte. Dafür sprechen jetzt bekanntgewordene Daten der Bundeswehr, die zeigen, daß sich im ersten Halbjahr dieses Jahres Meldungen über Fehlverhalten von Vorgesetzten deutlich erhöht haben. Während dem Verteidigungsministerium 2016 insgesamt 28 solche Fälle gemeldet wurden, seien es bis zum 9. Juli 2017 bereits 56 gewesen, heißt es in dem Bericht. Bei Verstößen gegen die sexuelle Selbstbestimmung sei mit 127 erfaßten Verdachtsfällen bereits jetzt das Niveau des Vorjahres (128 Fälle) erreicht worden.

Fall Franco A. wirft         weiter Fragen auf

Auch die anderen internen Baustellen der Bundeswehr entwickeln sich derzeit nicht im Sinne der Ministerin. So wirft der Fall des terrorverdächtigen Oberleutnants Franco A. immer neue Fragen auf. Bereits Anfang Juli war der mutmaßliche Komplize Maximilian T. aus der Untersuchungshaft entlassen worden, da die Bundesanwaltschaft keinen dringenden Tatverdacht erkennen konnte. Offenbar hatte T., anders als zunächst angenommen, nicht von den angeblichen Terrorplänen seines Kameraden A. gewußt. 

Und auch um die konkreten Vorwürfe gegen den Oberleutnant Franco A. ist es auffallend still geworden. Die von einigen Politikern wie etwa SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann aufgestellte Behauptung, es müsse davon ausgegangen werden, „daß sich eine Terrorzelle innerhalb der Bundeswehr gebildet hat“, erweist sich als vorschnell und überzogen. Ähnliches gilt für die Ermittlungen gegen einen Oberstleutnant, der nach eigenem Bekunden im Scherz zum Putsch aufgerufen hatte. 

Nach den von der Verteidigungsministerin angestrengten Untersuchungen entlastete der Militärische Abschirmdienst den Offizier von dem Putschvorwurf. Dieser habe sich „nicht an extremistischen Bestrebungen“ gegen die Führung beteiligt, lautete das für von der Leyen unangenehme Untersuchungsergebnis.