© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/17 / 28. Juli / 04. August 2017

Ländersache: Sachsen
Jetzt geht’s Connewitz an den Kragen
Paul Leonhard

Sachsens „Linksautonome“ dürften aufgeschreckt sein. Ausgerechnet der auf dem linken Auge als blind geltende Innenminister Markus Ulbig (CDU) bläst zum Sturm auf die Bastionen der Szene, auf „Conne Island“ in Leipzig  (JF 38/13) und das Alternative Jugendzentrum (AJZ) in Chemnitz.

Das hatte er nicht einmal getan, als im August 2015 etwa 50 Maskierte eine Außenstelle der Polizei im Leipziger Szene-Stadtteil Connewitz angriffen, Pflastersteine und Brandsätze warfen. Oder als Mitte Dezember 2015 Demonstranten mit Steinen die Polizei attackierten. Auch nicht, als vor dem G20-Gipfel etwa 80 Vermummte in Connewitz einen Linienbus angriffen.

Als sich die Gruppe „Revolution Leipzig“ ein Jahr später vor Gericht verantworten mußte, warb ihr Verteidiger Jürgen Kassek, Vorsitzender der sächsischen Grünen, um Verständnis: „Das sind nicht die klassischen Linksextremisten, sondern eine Gruppe von Jugendlichen, die zusammengekommen ist, um etwas zu bewegen.“ Schuld sei letztlich die Polizei, denn diese jungen Menschen hätten bei Demonstrationen in den vergangenen Monaten Gewalt erlebt, wodurch Frustration und Wut entstanden sei, so Kassek. 

Man dürfe eben keinen Polizeiposten dort unterhalten, „wo das Ganze schwierig gesehen wird“, sekundierte Dirk Panter, Fraktionschef der SPD im Landtag. Richterin Juliane Grabe platzte im Prozeß der Kragen: „Leben wir eigentlich in einer Bananenrepublik?“ Das fragt sich die sächsische Polizei schon lange. „Wo Steine fliegen, Vermummte Barrikaden bauen und Mülltonnen brennen, kann es keinen friedlichen Protest an gleicher Stelle geben“, warnte Andreas Loepki von der Leipziger Polizei.

Nach Ansicht der Gewerkschaft der Polizei hat auch die Anwesenheit von linken Landtagsabgeordneten bei unangemeldeten, gewalttätig verlaufenden Demonstrationen in Connewitz zur Bildung einer militanten Szene beigetragen.Wo auf der Skala zwischen Linksextremismus und Linksterrorismus befindet sich diese aktuell? Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) wiegelt ab. Soziokulturelle Zentren wie Conne Island und Werk II würden „wertvolle Stadtteilarbeit leisten“.

 Von „falscher Toleranz“ spricht dagegen der Leipziger FDP-Stadtrat Sven Morlok. Der Oberbürgermeister relativiere seit Jahren die linke politische Gewalt, so der AfD-Stadtratsfraktionschef Tobias Keller. „Keinen Cent für linksextreme Zentren in Sachsen“, fordert der innenpolitische Sprecher der AfD-Landtagsfraktion, Sebastian Wippel. Er erinnerte daran, daß sechsstellige Summen an Extremisten fließen, die keinerlei Berührungsängste im Umgang mit Gewalttätern haben.

 Auch die Bundesregierung ist auf das blühende linksautonome Biotop in Leipzig aufmerksam geworden. Während Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) vor einer „Vorverurteilung“ des linksalternativen Stadtteils Connewitz warnte, forderte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) ein hartes Vorgehen gegen die dortige Szene.

Ulbig kündigte eine Überprüfung der Szenetreffpunkte und ein genaueres Hinsehen bei der Förderung an. „Nicht hinnehmbar“ sei, daß auf dem Dach von Conne Island der Spruch „Kill cops“ stehe.