© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/17 / 28. Juli / 04. August 2017

Brüllender Löwe als Bettvorleger
„Bayernplan“: Die CSU stellt in München ihr alternatives Wahlprogramm vor
Thorsten Brückner

Die CSU hat die bayerische Seele verstanden. Ihren „Bayernplan“, also den Zusatz zum gemeinsamen Wahlprogramm mit der CDU, präsentierte sie am Sonntag nicht in irgendeiner stickigen Konferenzhalle, sondern bei einem Volksfest im Münchner Olympiapark mit Bier und deftigem Essen. 

Das 35 Seiten umfassende Papier stellte Generalsekretär Andreas Scheuer als die „Garantien“ der Partei an das bayerische Volk vor. Mit Garantien ging es dann in der folgenden Rede des Parteivorsitzenden Horst Seehofer munter weiter. „Ich sichere Ihnen zu, daß wir diesen Soli abschaffen.“ Und: „Wenn man etwas will und mit Nachdruck dafür eintritt, bekommt man es auch in Berlin“, sagte er unter dem Applaus der 2.500 CSU-Anhänger.  

Seehofer distanziert        sich von Seehofer

Der Bayernplan ist quasi das Kontrastprogramm zum Wahlkampf vor vier Jahren. Damals stellte Seehofer unmißverständliche Forderungen: Er werde keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, in dem nicht die Pkw-Maut stehe. Ähnlich äußerte sich der CSU-Chef noch im vergangenen Jahr, als er die Obergrenze für Asylbewerber zur „Conditio sine qua non“ für eine Regierungsbeteiligung machte. 

Damals nannte er Merkels Politik der offenen Grenzen sogar eine „Herrschaft des Unrechts“. Zwischenzeitlich war indes davon die Rede, die beiden Schwesterparteien könnten mit zwei unterschiedlichen Programmen in den Wahlkampf ziehen, was sie allerdings bis zur Bundestagswahl 2002 ohnehin immer getan hatten. Aus Parteikreisen verlautete damals, man überlege, in Bayern keine Merkel-Plakate aufzuhängen, da es den Mitgliedern nicht zuzumuten sei, das Konterfei der Kanzlerin zu plakatieren. 

Im Olympiapark erlebten die Besucher einen Seehofer, der auf Distanz zu seinem früheren Ich ging. Angela Merkel nannte er „einen Stabilitätsanker“, eine Person, die „die freie Welt zusammenhält“. Die Obergrenze erwähnte „Drehhofer“, wie er an bayerischen Stammtischen gern scherzhaft genannt wird, mit keinem Wort. Nach Meinung vieler Konservativer in der Union ist mit dem Bayernplan der brüllende bayerische Löwe in Gestalt der CSU wieder einmal als Bettvorleger auf dem Boden der Tatsachen angekommen. 

Die Konkurrenten im Freistaat sparen nicht mit Kritik. Die AfD nennt die Ausgliederung der CSU-Forderungen in den Bayernplan ein „Fegefeuer der Lächerlichkeiten“, eine „Bad Bank für CSU-Forderungen“. Dorthin würden alle Programmpunkte entsorgt, „die Mutti nicht schmecken“. Die Bayernpartei spricht von „Wählertäuschung mit Ansage“, Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger von „Wählerveräppelung“.

 Und in der Tat: Liest man den Bayernplan, könnte man meinen, die CSU sitze seit zwölf Jahren nicht etwa auf der Regierungsbank, sondern in der Opposition. Dort heißt es etwa: „Gefährder einsperren, statt überwachen“. Oder: „Wir müssen wissen, wer in unser Land kommt.“ Auch „Volksentscheide auf Bundesebene“, die die Partei seit langem fordert, finden sich nur im Bayernplan. 

Im Wahlkampf setzt die CSU aber diesmal nicht nur auf Volksfest und Bierzelt. „Laptop und Lederhose sind in Bayern eine Symbiose eingegangen“, sagte 1998 der bis heutige einzige Bundespräsident aus Bayern, Roman Herzog. Seitdem haben CSU-Politiker, allen voran der frühere Vorsitzende Edmund Stoiber, die Floskel benutzt, um stolz den weiß-blauen Spagat zwischen Tradition und Moderne unter schwarzer Führung herauszustellen. Wenig gelungen ist dieser Spagat der CSU aber beim digitalen Wahlkampf 2017, der in der Partei offensichtlich noch in den Kinderschuhen steckt. Exemplarisch kann der Facebook-Nutzer dies am neuen CSU-Bot Leo sehen, mit dem er auf Facebook kommunizieren kann. Wobei das Wort „kommunizieren“ etwas hochgegriffen scheint. 

CSU-Bot Leo kennt     Franz Josef Strauß nicht

Mit Leo verhält es sich ein wenig wie mit der Führungsriege der CSU. Sie redet viel, hört aber nicht zu. Leo fragt den interessierten Nutzer zwar, ob er mit ihm „ratschen“ will, aber reden tut ausschließlich Leo. Auf Fragen bekommt der CSU-interessierte Bürger vorgestanzte Antworten aus dem Parteiprogramm, aber auch nur dann, wenn Leo überhaupt die Fragen und jeweiligen Wörter kennt. Das kann bisweilen zu peinlichen Situationen führen. Fragt man Leo etwa, wie es die heutige CSU mit Franz Josef Strauß so hält, bekommt man als Antwort: „Den Begriff hab ich leider nicht erkannt. Laß uns doch über ein anderes Thema reden.“ 

Mit Edmund Stoiber kann der Bot dagegen etwas anfangen („unser Ehrenvorsitzender“) und verlinkt sofort auf eine seiner Reden. Zur AfD hat Leo übrigens eine klare Meinung: „Mit den rechten Dumpfbacken von der AfD wollen wir nichts zu tun haben. Eines muß allen klar sein: Wer rechtsaußen wählt – aus welchem Grund auch immer –, der bekommt mit großer Sicherheit eine linke Republik mit einer rot-rot-grünen Regierung.“ Angela Merkel ist für Leo hingegen „eine hervorragende Kanzlerin“.