© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/17 / 21. Juli 2017

„Pervers reich und ein absoluter Rassist“
Werkzeugmaschinenbau: Haßtiraden treffen deutsch-amerikanischen Unternehmer / Neue Werksgründung in den USA und Rußland?
Paul Leonhard

Die Niles-Simmons-Hegenscheidt-Holding (NSH) ist einer der 35 weltgrößten Werkzeugmaschinenhersteller: 360 Millionen Euro Umsatz, sieben Standorte, rund 1.350 Beschäftigte. NSH produziert für die Luft- und Raumfahrtindustrie, Auto- und Bahnhersteller oder den Werkzeug- und Formenbau. Man habe Chemnitz 2001 als NSH-Stammsitz gewählt, um „ein Zeichen dafür zu setzen, daß Maschinen aus Sachsen Weltniveau besitzen“, sagt Hans Jürgen Naumann, Inhaber und Geschäftsführender Gesellschafter.

„Kompetente Fachkräfte, eine exzellente Forschungslandschaft sowie eine intelligente staatliche Förderung von Innovationen sind wesentliche Gründe dafür.“ Für solche Sätze lieben sächsische Politiker den 1935 in Dewitz bei Leipzig geborenen Deutsch-Amerikaner. Johannes Rau ehrte ihn mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande, Sachsen verlieh ihm den Verdienstorden, Ernst & Young zeichnete ihn 2013 als „Entrepreneur des Jahres“ aus. 2003 erhielt Naumann die Ehrendoktorwürde der TU Chemnitz, fünf Jahre später verlieh ihm der Freistaat den Titel Professor ehrenhalber.

Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange denkt nun über eine Entziehung der Ehrungen nach. Naumann habe in der Chemnitzer Freien Presse Aussagen mit einem „deutlich rassistischen Tenor“ getroffen, so die sächsische SPD-Politikerin. Das widerspreche „der gelebten Internationalität, Weltoffenheit und Toleranz“ des Hochschulwesens in Sachsen. Das eigentliche „Vergehen“ des seit 1960 in den USA lebenden Unternehmers ist, daß er nicht nur Donald Trump gewählt hat, sondern sich auch zu dessen Politik bekennt. Ein starkes Amerika sei auch für Europa wichtig. Im Gegensatz zu vielen europäischen Politikern habe Trump erkannt, „daß die weiße Bevölkerung zusammenstehen muß“.

Naumann beklagte, daß sich die „afroamerikanische Jugend sehr stark aus der Verantwortung gezogen“ habe. Sie würde vorzeitig die Schule verlassen und er „befürchte, die nächste Generation der schwarzen Jugend wird wieder eine soziale Gruppe sein, die genauso arm lebt wie die ihrer Eltern und Großeltern“. Einen Durchbruch könne es nur dadurch geben, „wenn man die jungen Afroamerikaner zum Militär einzieht, ihnen dort Disziplin beibringt und eine berufliche Ausbildung ermöglicht“.

Dies  reichte, um den Unternehmer mit Hauptwohnsitz in Florida zur Unperson zu machen. Naumann sei nicht nur „pervers reich“, sondern auch ein „absoluter Rassist“, urteilte Bernd Hahn, ehemaliger Vizechef des Studentenwerkes der TU Chemnitz. Er forderte die Abberufung Naumanns aus dem Hochschulrat. Ines Knöfel vom Studentenrat kritisierte, Naumann habe die „ökonomische und soziale Benachteilugng und Diskriminierung“ der Afroamerikaner komplett ausgeklammert.

Der TU-Kanzler, der Prorektor für Lehre und Internationales, der Hochschulratsvorsitzende, die Oberbürgermeisterin, die Wissenschaftsministerin und Studentenratvertreter trafen sich zu einem einstündigen Geheimgespräch mit dem Gescholtenen. Der räumte anschließend im MDR ein, er hätte seine Worte „ein wenig sorgfältiger wählen sollen, um den kulturellen Unterschieden in angemessener Form besser gerecht zu werden“.

Daß Naumann in dem Interview ebenfalls angekündigt hatte, NSH werde künftig nicht nur in den USA eine neue Firma gründen, sondern auch im zu Rußland gehörenden Tatarstan, ging in der Aufregung unter. Werkzeugmaschinen würden künftig in den USA und Rußland montiert und produziert, damit „wir uns nicht mehr mit dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle herumärgern müssen“. Derzeit gehören zur NSH-Gruppe noch vier Werke in Deutschland, zwei in den USA und eines in China.

Niles-Simmons-Hegenscheidt-Group:  www.niles-simmons.de/