© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/17 / 21. Juli 2017

Liberal und nicht konservativ
Australien: Die Regierungspartei unter Premier Malcolm Turnbull streitet um ihre Traditionen / Pauline Hansons Rechtspartei „One Nation“ wittert Morgenluft
Josef Hämmerling

Konservativ oder nicht? Der australische Premier Malcolm Turnbull hat in London eine fast schon skurril anmutende Debatte ausgelöst. In einer Rede erklärte er, die von ihm angeführte konservativ-liberale Regierungspartei (Liberale Partei Australiens) sei nicht konservativ geprägt. Vielmehr sehe er sich in der Tradition von Parteigründer Robert Menzies, der stets liberale Standpunkte in den Vordergrund gestellt habe. Natürlich gebe es auch konservative Standpunkte, aber diese seien dem liberalen Gedanken untergeordnet. 

Er verwies auf den früheren Premierminister Tony Abbott, der erklärt hatte, die Liberalen müßten ihren Platz in der „sensiblen Mitte“ haben.

 Massive Kritik kam von Turnbulls Vorgängern. So erklärte etwa John Howard auf einer Veranstaltung in Sidney, die Partei basiere auf konservativen und liberalen Standpunkten. Konservative seien in der Liberalen Partei stets willkommen, die neben der Liberalen Nationalpartei „die natürliche und meist produktive Heimat für Konservative“ sei. Der frühere Premier des Bundesstaates Victoria, Jeff Kennett, warf Turnbull vor, er offenbare einen „entsetzlichen Mangel an politischer Urteilskraft“. 

Kritiker sehen in seinen Äußerungen den Versuch, den immer stärker werdenden konservativen Strömungen in seiner Partei und in Australien entgegenzuwirken. Einem Bericht des Australian zufolge haben einige Parteimitglieder, darunter auch ein Regierungsminister, damit gedroht, die Liberalen zu verlassen, falls sie die Homo-Ehe legalisiere. 

Innerparteilicher Zoff irritiert Wähler 

Andererseits  droht die Schwulen- und Lesbenorganisation PFLAG (Parents, Family and Friends of Lesbians and Gays) und präsentiert eine Umfrage, der zufolge  40 Prozent der Wähler die Parteien der Regierungskoalition bei den nächsten Wahlen nicht mehr wählen wollen, wenn die gleichgeschlechtliche Ehe nicht erlaubt werde. 

Nach Ansicht des Politanalysten Malcolm Farr versucht der Premier, seinen Kritikern die Authentizität als Liberale abzusprechen. Er könne sie nicht aus der Partei entfernen, also versuche er, sie zu Außenseitern zu stempeln. 

Turnbull verwies darauf, daß die Liberale Partei stets die Fortentwicklung des Staates als wichtigste Aufgabe gesehen habe, durchaus auch mit neuen, experimentellen Ideen. In so einer Partei habe eine konservative Grundhaltung keinen Platz.

Michelle Grattan, Analystin von der Universität Canberra, glaubt, daß Turnbull seiner Partei mit seinen Äußerungen schadet. In der Öffentlichkeit werde dies als „irrelevanter innerparteilicher Zoff“ gesehen. Zudem: Welcher unter 40jährige kenne Menzies und seine Ideen noch? Zudem führe eine derartige Debatte zu Frustrationen und treibe konservativen und rechten Parteien Wähler zu. 

Dies bestätigt sich dann etwa an der national eingestellten Partei „One Nation“. Einer Wahlumfrage des Instituts Galaxy Research zufolge wollen nunmehr elf Prozent die von Pauline Hanson geführte Partei wählen. Dies sind zwei Prozentpunkte mehr als bei der Umfrage im Mai. Damit liegt „One Nation“ erstmals um zwei Prozentpunkte vor den Grünen. Bei der Parlamentswahl im Juli 2016 hatte die Partei nur 1,3 Prozent der Stimmen erhalten, so daß sich ihre Zustimmungsquote bei der Bevölkerung binnen nur eines Jahres fast verzehnfachte.