© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/17 / 21. Juli 2017

Grüße aus Santiago de Cuba
Auf den Bus gekommen
Alessandra Garcia

Der Nahverkehr in Santiago beruht auf drei Säulen: den in großen Abständen verkehrenden staatlichen Bussen, den privaten Camiones und den ebenfalls privaten Motorradtaxis. Letztere sind mit 10 Peso (etwa 36 Cent) pro Fahrt die teuerste und schnellste Variante, um von einem Ort zum anderen zu kommen, erstere mit 20 Centavos die billigste. Die zuverlässigste Art und Weise sind aber jene für den Personennahverkehr umgebauten Lastkraftwagen, wo das Mitfahren einen Peso kostet.

Die in den USA produzierten Fahrzeuge der Marken Chevrolet, Mack und Ford stammen allesamt aus der Zeit vor der Revolution. Ihre Ladeflächen sind mit Bänken versehen und überdacht. Außerdem wurde eine Treppe angeschweißt, die das Einsteigen erleichtert. Wer als Unternehmer etwas auf sich hält, hat sogar ein oder zwei Lausprecher angebracht, um seine Kundschaft mit den neuesten Hits zu beschallen.

Statt eines röchelnden Lastwagens stand da nur eine empörte Schlange Wartender.

Die Camiones verkehren nicht nach Fahrplan. Lange Zeit entschied allein der Fahrer, wann genügend Passagiere an Bord sind, um loszufahren. Seitdem der Staat aber mehr Lizenzen ausgegeben hat, gibt es ein neues System. Der Fahrer wartet, bis der nächste Wagen auftaucht, der sich von weitem hupend bemerkbar macht, um dann zur nächsten Haltestelle zu fahren. Mitunter liefern sich die Fahrer auch Rennen.

Um so erstaunter war ich, als ich eines morgens um die Ecke bog und statt eines röchelnden Lastwagens nur eine empörte Schlange Wartender vorfand. Keiner hatte bisher einen Camion gesichtet. Statt dessen tauchte nach einiger Zeit ein Uraltbus französischen Ursprungs auf, der sofort geentert wurde und davonschaukelte. Ich bekam in einem 60 Jahre alten Carpenter-Schulbus einen Stehplatz. Unterwegs entdeckte ich noch chinesische, russische und koreanische Busse. Offenbar hatte die Stadt alle Buswracks mobilisiert, die noch irgendwo herumstanden.

Abends klärte sich dann auf, was passiert war. Die Fuhrunternehmer waren verpflichtet worden, Tankkarten zu benutzen. Diese waren aber noch gar nicht ausgegeben. Wer keine hatte, dem drohten saftige Strafzettel. Nach den Taxifahrerstreiks in Havanna wollte die Stadtregierung von Santiago offenbar testen, was passieren würde, wenn sie den Schwarzkauf von Diesel verhindert. Immerhin schaffte sie es einen Tag lang, den Nahverkehr allein mit Bussen aufrechtzuerhalten.