© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/17 / 21. Juli 2017

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
„Der Feind steht links“
Thorsten Brückner

Rund zweieinhalb Monate vor der Bundestagswahl haben die linksextremen Ausschreitungen am Rande des G20-Gipfels in Hamburg der AfD ein Thema auf dem Silbertablett serviert. Kein Wunder also, daß die Partei bei ihrer Pressekonferenz vergangene Woche in Berlin nicht nur wie vorgesehen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) von Justizminister Heiko Maas (SPD), sondern auch die Vorfälle von Hamburg bespielte. Mit Alice Weidel und Alexander Gauland gab sich das Spitzenduo für die Bundestagswahl die Ehre.Weidel sprach von einem „vollständigen Kontrollverlust des Staates“. Die Bundesrepublik sei offensichtlich nicht in der Lage, ihre Bürger zu schützen. Nach Hamburg richtet die AfD drei Forderungen an die Bundesregierung: Ein Verbot linksextremer „Terrororganisationen“. Linksextreme Zentren wie die Rote Flora in Hamburg zu räumen und zu schließen. Und die unter Familienministerin Manuela Schwesig abgeschaffte Extremismusklausel wieder einzuführen.

Gauland beklagte die „klammheimliche Freude und Genugtuung“ über die Bilder aus Hamburg in weiten Teilen der Gesellschaft. Der Elder Statesman seiner Partei ließ dabei keinen Zweifel, was für ihn die Ursache daran ist. „Die kulturelle Hegemonie der 68er muß verschwinden“, diktierte er den Journalisten in die Blöcke. Für ihn „steht der Feind dieses Staates links und nicht rechts“. Als dann erneut die 38jährige Frontfrau aus Baden-Württemberg das Wort ergriff, fühlten sich die zahlreichen Vertreter der schreibenden Zunft zeitweise wie Schüler in einem Seminar. Weidel las aus einer Liste die verschiedenen linksextremen Projekte in deutschen Städten vor. Während des minutenlangen Vortrags beschäftigten sich die meisten Journalisten lieber mit ihrem Smartphone. Wer sich unterhielt, bekam von Weidel einen Rüffel: „Hören Sie mir zu, das ist extrem wichtig!“ 

Im zweiten Teil ging es dann doch noch um das eigentlich geplante Thema. „Das falsche Maas für Meinungsfreiheit“, war auf Aufstellern hinter dem Spitzenduo zu lesen. „Das Gesetz richtet sich gegen uns“, bestätigte Weidel auf Nachfrage. Unter den Pressevertretern verteilte die Partei auch einen Gegenentwurf zu Maas’ Gesetz. In dem von den Anwälten Joachim Steinhöfel und Maximilian Krah ausgearbeiteten Entwurf dreht die AfD den Spieß um und will Facebook und andere soziale Netzwerke in Haftung nehmen, wenn sie Inhalte entfernen, die nicht gegen deutsches Recht verstoßen. Darüber hinaus war nicht nur vielen Journalisten unklar, worin sich der Steinhöfel/Krah-Entwurf eigentlich von den Kernaussagen des NetzDG unterschied. Weidel und Gauland stellten klar, daß die bestehenden straf- und zivilrechtlichen Regelungen ausreichten. Warum aber dann dieser Entwurf? Weidel machte auch bekannt, daß die Amadeu-Antonio-Stiftung sie verklage. Konkret geht der Streit um folgende Formulierung Weidels: „Es ist ein Unding, daß das Familienministerium mit deutschen Steuergeldern direkt und indirekt, zum Beispiel über die Amadeu-Antonio-Stiftung, linksextremen Terror … mitfinanziert.“. Eine Unterlassungserklärung unterschrieb Weidel nicht.