© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/17 / 21. Juli 2017

Wie die sizilianische Mafia
Falsche Gäste: Zwei SPD-Lokalpolitiker treiben einen Münchner Wirt in den finanziellen Ruin, weil dieser auch Pegida-Demonstranten bedient hat
Lukas Steinwandter

Im Herzen des Münchner Stadtteils Sendling lädt eine kleine Trattoria ihre Gäste seit 14 Jahren zu Speis und Trank. „Casa mia“ heißt das italienische Restaurant, „mein Zuhause“. Nun kündigt ein Aushang an: Am Freitag, 21. Juli, ist Schluß – „aus wirtschaftlichen Gründen“. Bei genauerem Hinsehen sind es allerdings nicht in erster Linie  wirtschaftliche Ursachen, die den Wirt Giovanni Costa zu diesem drastischen Schritt zwingen.

Der Sizilianer hatte das „Casa mia“ für eine politische Gruppe geöffnet, die dem Bezirksausschuß Sendlingen offenbar ein Dorn im Auge ist. Alles begann 2015. Einige Mitglieder des Münchner Ablegers von Pegida kehrten nach einer Kundgebung in Costas Restaurant ein. Seitdem gehörte die Stärkung im „Casa mia“ nach den abendlichen Spaziergängen zum festen Programm dazu. „Sie aßen Pasta und tranken Bier“, erzählt Costa dieser Zeitung. Als politische Gruppe traten sie nie auf, sie verteilten keine Flyer und skandierten keine Parolen. Er wußte nicht, um wen es sich bei den Gästen handelte.

Das änderte sich schlagartig im Januar 2016. Costa bekam Besuch von Ernst Dill und Markus Lutz. Beide sind Mitglied im Bezirksausschuß Sendling. Der SPD-Sprecher Dill ist unter anderem stellvertretender Vorsitzender und Beauftragter gegen Rechtsextremismus. „Sie kamen zu mir und sagten, ich solle diese Leute nicht mehr bewirten“, erinnert sich Costa. Mit „diesen Leuten“ meinten die Sozialdemokraten Pegida-Teilnehmer. Es blieb nicht bei der Bitte. Dill habe den Wirt erpreßt. „Entweder ich gebe Pegida keinen Zutritt mehr, oder sie schließen mein Restaurant“, beschreibt der Wirt den Versuch, ihn einzuschüchtern.

Costa konsultierte seinen Anwalt. Dieser sagte dem Wirt, der seit 44 Jahren in München lebt, es sei nicht möglich, daß der Bezirksausschuß sein Restaurant deshalb schließen könnte. Der Italiener knickte nicht ein, die Pegida-Teilnehmer aßen weiterhin Pasta und tranken Bier. Bis wenige Monate später Anheuser-Busch InBev, der größte Brauereikonzern der Welt, bei Costa anrief. Er beliefert das „Casa mia“ mit Löwenbräu und Franziskaner-Bier. „Ich mußte einen Zusatzvertrag unterschreiben, worin ich mich verpflichte, keine politischen Gruppen mehr zu bewirten“, erläutert der Gastwirt. Daraufhin bat Costa seine Stammkunden von Pegida, nicht mehr zusammen am selben Abend in sein Lokal zu kommen. „Das taten sie auch, sie kamen dann unter der Woche verteilt.“

Doch Dill ließ sich weiterhin auf seiner Kontrolltour blicken und schaute nach dem Rechten. Costa ist sich auch sicher: Der SPD-Politiker schickte Kollegen, um ihn auszuspionieren. Er erstattete Anzeige, doch die wurde wegen mangelnder Beweise abgewiesen. Ungefähr zur gleichen Zeit wurde der Fall „Casa mia“ in der linksextremen Szene bekannt. „Einmal kamen 20 bis 30 Vermummte und schrien ‘Nazis raus ’“, beklagt Costa. Immer wieder beschmierten sie sein Restaurant mit linksextremen Parolen. Mehr und mehr Gäste blieben deshalb fern, der Umsatz sank. Costa glaubt, die Bezirksvorsitzenden Dill und Lutz hätten Stimmung in Sendling gemacht. Außerdem sei die Brauerei unter Druck gesetzt worden. „Sowas habe ich in meinen über 40 Jahren in Deutschland nicht erlebt“, konstatiert Costa. „In Sizilien gibt es die Mafia, in Deutschland die Demokratie.“ Und die gelte offenbar nicht für alle.

Nun hat die Brauerei Costa gekündigt, weil dieser die Pacht nicht mehr bezahlen kann. Der SPD-Politiker Dill reagierte weder auf schriftliche noch auf telefonische Anfragen. Auch Anheuser-Busch InBev war bis Redaktionsschluß nicht für eine Stellungnahme verfügbar.