© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/17 / 14. Juli 2017

Der Flaneur
Friesischer Käse für Sachsen
Sebastian Hennig

Auf einem „Food Market“ wird uns der kostspielige Ziegenkäse einer ehemaligen Architektin gepriesen, die inzwischen sogar einen Laden in Kreuzberg betreibt. Mir macht das keinen Appetit, und der Wegweiser „Kunst und Käse“ wirkt eher weg weisend.

Weit lieber als Berlin ist mir in diesem Fall Bantin, wohin keine Reklametafel lockt. Der Wohlgeschmack des simplen Käses ist zur Legende geworden, seit wir vor anderthalb Jahrzehnten um den See zur Käserei gepilgert sind. Dort stapeln sich an schlammigen Wegen Heuballen, die Kälber stehen unter kleinen Schauern gereiht.

Dem Kühlschrank, der vor der Tür steht, entnimmt der kräftige Mann wuchtige Stücke.

Aus geleerten Behältern blühen Primeln. Hinter einem Holzzaun drängt sich Hornvieh, schaut intelligent, stark und glücklich aus. Hunde umtänzeln uns. Hier herrscht der bäuerliche Genius. Warum aufräumen, wenn alles fortlaufend gebraucht wird? Die Tür wird von innen geöffnet, bevor ich die Klinke drücke. Ein lächelndes Gesicht, von einem roten Schifferbart umrahmt, schiebt sich mir entgegen. Das Stirnband im Flecktarnmuster hält die Haare zurück. Die Füße stecken in weißen Gummistiefeln. 

Im Hintergrund erkenne ich eine Vielzahl von dunklen Holzbrettern, die durch Myriaden von Käselaibern blank gescheuert sind. Dem Kühlschrank, der im Freien auf dem Boden steht, entnimmt der kräftige Mann wuchtige Stücke. Auf die Zusicherung unserer Geduld, gesteht er lächelnd, seinerseits gleich fort zu müssen. Während er noch Quark holt, heben wir zwei weitere Kilo Käse aus.

Nachdem wir den Betrag aufgerundet haben, greift er noch einmal in den Schrank und legt einen gelben Keil mit besonderer Würze obenauf. Er meint „HEI“ statt „MEI“ auf unserem Kennzeichen gelesen zu haben. Doch wir kommen nicht aus seiner ursprünglich nordwestdeutschen Heimat, nicht aus Heide, sondern aus dem Meißner Land. Doch die Liebe zur friesischen Käserei in Mecklenburg geht auch durch den sächsischen Magen.