© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/17 / 14. Juli 2017

Das gedruckte Wort ist nur noch ein Standbein
Medien: Trotz anhaltenden Zeitungssterbens verdienen die Chefs der umstrukturierten Konzerne Springer, Bertelsmann und Funke prächtig
Thomas Fasbender

Wer ist der bestbezahlte Manager in Deutschland? Vieleicht der Daimler-Chef? 2016 war zwar mit 2,23 Millionen abgesetzten Mercedes-Benz und Smart das erfolgreichste Jahr in der Unternehmensgeschichte und das sechste Rekordjahr in Folge. Aber Dieter Zetsche mußte sich mit einer Gesamtvergütung von 7,7 Millionen Euro zufriedengeben. VW-Vorstand Matthias Müller kam – trotz des milliardenschweren „Dieselgate“ – auf 9,6 Millionen Euro. Doch das war weniger als die Hälfte von dem, was Mathias Döpfner verdiente: Der Chef des Axel-Springer-Konzerns soll laut Berechnungen der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) und der TU München 19,2 Millionen Euro kassiert haben – 5,4 Millionen mehr als der Amerikaner Bill McDermott, Chef des deutschen Softwarekonzerns und klaren Dax-Spitzenreiters SAP.

„19,2 Millionen kommen der Wahrheit recht nahe“

Die DSW-Berechnung stehe auf „extrem wackeligen Füßen“, heißt es aus dem Springer-Konzern. Da Döpfner und die drei weiteren Vorstände 2016 gemeinsam 51,3 Millionen Euro zugestanden hätten, kämen die 19,2 Millionen „der Wahrheit recht nahe“, so DSW-Sprecher Jürgen Kurz. Und Döpfer ist aus Aktionärssicht sein Geld wohl wert: In den vergangenen zehn Jahren hat sich der Kurs der Springer-Aktie trotz des anhaltenden Zeitungssterbens mehr als verdoppelt. Die nicht börsennotierte Konkurrenz, der Gütersloher Bertelsmann-Konzern, macht seinen wenigen, aber eher verschwiegenen Aktionären mit fast 17 Milliarden Euro Umsatz Freude – und es dürften noch mehr werden.

Mit hundert Mitarbeitern hat es 2016 begonnen; bald könnten es im neuen Arvato-Gebäude am Berliner Wohlrabedamm 700 Leute der Bertelsmann-Tochter sein, die Postings der über 1,6 Milliarden Facebook-Nutzer durchkämmen – oder mindestens der fast 30 Millionen Deutschen darunter. Denn das großkoalitionäre Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG, JF 23/17) ist ohne übereifrige Zensoren zahnlos.

Facebook und andere soziale Medien politisch korrekt sauber zu halten ist aber nicht das erste und einzige Bertelsmann-Projekt im Zentrum der hohen Politik. Viel wurde schon geschrieben über die Art und Weise, wie der Konzern die 1977 vom Nachkriegsgründer Reinhard Mohn eingerichtete Bertelsmann-Stiftung, Eigentümerin von gut 77 Prozent der Unternehmensanteile, einsetzt, um sich Macht und Einfluß zu sichern. Dabei regieren handfeste kapitalistische Interessen: Hinter der Stiftung steht die Familie Mohn, in erster Linie die Gründer-Witwe Liz Mohn und ihre Kinder Brigitte und Christoph Mohn. Derselbe Personenkreis hält auch die knapp 23 Prozent Unternehmensanteile, die nicht der Stiftung gehören. Nur der jüngste Sohn Andreas Mohn gilt als Außenseiter, der in der Vergangenheit etwa den Bertelsmann-Kritiker und Autor Thomas Schuler bei seinen Büchern über Konzern und Stiftung beraten hat.

Die Tochtergesellschaft Arvato spiegelt die erfolgreiche Expansion des Unternehmens in weite Bereiche der digitalen Technologien. Hervorgegangen ist Arvato aus der Druck- und Industriesparte des Konzerns, ursprünglich gebündelt in der 1948 gegründeten Mohndruck. Die Bereitschaft zur Diversifizierung war der Firma in die Wiege gelegt; schon in den 1950er Jahren bot Mohndruck anderen Verlagen die Buchauslieferung als Dienstleistung an. 1983 folgte die Distribution von Software und Computern, 1993 die Abwicklung des Lufthansa-Bonusprogramms Miles & More und später der Microsoft-Kundenservice für Deutschland, Österreich und die Schweiz.

Heute beschäftigt Arvato 68.000 Menschen – über die Hälfte aller Bertelsmann-Mitarbeiter. Zwei Drittel von ihnen wickeln für die Arvato-Klienten das Kundenmanagement ab, in der Fachterminologie Customer Relationship Management (CRM) genannt. Das entspricht der Betreuung von 600 Millionen Menschen auf allen Kontinenten und in 35 Sprachen. Des weiteren bietet Arvato die Abwicklung von Zahlungsprozessen im Internet, Dienstleistungen bei Material- und Informationsflüssen (SCM) und vielfältige Sonderprojekte – etwa die geplante Facebook-Zensur im Sinne der Bundesregierung.

Daß die Zukunft jenseits des gedruckten Wortes liegt, steht auch für den Springer-Konzern außer Frage. Döpfner preist sein Haus als „Europas führenden Digitalverlag“ und behauptet, über das weltweit umsatzstärkste Rubrikenportfolio zu verfügen. Dabei orientiert Springer sich – noch stärker als Bertelsmann (RTL Group, Gruner+Jahr, BMG) – am eigentlichen Mediengeschäft und expandiert vorzugsweise in Plattformen wie N24, Business Insider und Privatradios von Antenne Bayern bis Radio ffh. Was nicht heißt, daß der Konzern den Internet-Kommerz verschlafen hätte. Mit Autoscout24, Immonet, Kaufda, der Jobbörse StepStone und dem Preisvergleichsportal Idealo ist Springer in zentralen Branchen mit eigenen Plattformen präsent. Die konzerneigene Sport-Website tranfermarkt.de gehört zu den 25 meistbesuchten deutschen Seiten.

Mehrheitsbeteiligungen an Radios und Onlineportalen

Die am wenigsten diversifizierte Strategie unter den großen deutschen Medienhäusern fährt die Funke-Mediengruppe. Doch auch das bis 2013 als WAZ-Mediengruppe bekannte Unternehmen schreibt im Grunde eine langjährige Expansionsgeschichte fort. Schon in den 1970er Jahren hatten die Gründer der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) kleinere Blätter aufgekauft und sich so vom regionalen zum nationalen und später internationalen Konzern aufgeschwungen. Spätestens seit der 2014 erfolgten Übernahme der stagnierenden Springer-Produkte Berliner Morgenpost, Hamburger Abendblatt, Hörzu, TV Digital, Funk Uhr, Bildwoche, TV Neu, Bild der Frau und Frau von Heute zum Preis von 920 Millionen Euro ist die Funke Mediengruppe bei Tageszeitungen und Magazinen prominent aufgestellt. Hinzu kommen zahlreiche Fachzeitschriften im Reiner H. Nitschke Verlag und der Verlagsgruppe Bahn.

Der Rückgang der Druckauflagen macht Funke zu schaffen; dem Umsatzrückgang begegnet man mit der Zusammenlegung von Redaktionen und der Vereinheitlichung von Inhalten. Auch die Diversifizierung in druckfremde Bereiche hält an. Dazu gehören ein Dutzend Mehrheitsbeteiligungen an Regional- und Lokalradios, das regional ausgerichtete Portal DerWesten.de und – gemeinsam mit den Verlagsgruppen Georg von Holtzbrinck und Ippen – verschiedene Anzeigenportale im Internet: immowelt.de, stellenanzeigen.de, markt.de, motoso.de und trauer.de.

Vergütungsmäßig backen die Funke-Chefs Manfred Braun und Michael Wüller weniger kleine Brötchen. Laut Kress-Report kamen sie 2014 zusammen auf 4,2 Millionen Euro. Anke Schäferkordt und Guillaume de Posch, die beiden Chefs der Bertelsmann-Unterabteilung RTL, kassierten laut DSW 2016 zusammen 4,9 Millionen Euro.

DSW-Vorstandsvergütungsstudie: www.dsw-info.de