© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/17 / 07. Juli 2017

Kanadier schrumpfen in Deutschland
Eisenbahnhersteller Bombardier: 2.200 Stellen fallen in der Oberlausitz und Brandenburg weg / Vorerst Aufatmen in Hessen und Niedersachsen
Paul Leonhard

Der kanadische Konzern Bombardier will bis zu 2.200 von insgesamt 8.500 Stellen in seiner deutschen Bahntechniksparte abbauen. Das mußte Wolfgang Tölsner, Aufsichtsratschef von Bombardier Deutschland, vergangene Woche mitteilen. Die acht deutschen Standorte sollen stärker spezialisiert und mit den in Deutschland gefertigten Produkten wieder Gewinn gemacht werden. „Wir haben eine Milliarde Verlust bei zehn Milliarden Umsatz in den vergangenen fünf Jahren gemacht“, wird Deutschlandchef Michael Fohrer zitiert. Allerdings schreibt Bombardier Transportation insgesamt schwarze Zahlen.

Nachdem die Einsparpläne bekanntgeworden waren, hatte sich im Januar aus Angst, daß vor allem in Brandenburg und Sachsen die ohnehin wenigen gutbezahlten Industriearbeitsplätze wegfallen könnten, die Bundesregierung eingeschaltet – am 24. September wird schließlich gewählt. Nach einem Gespräch mit Bombardier-Vertretern, an dem die Ministerpräsidenten von Brandenburg und Sachsen teilnahmen, konnte der damalige Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) verkünden, daß für die Kandadier Deutschland weiterhin eine zentrale Rollen spielen werde und daß keine Standorte geschlossen werden.

Nach sechs Monaten Verhandlungen steht fest, daß zwar alle Standorte umgekrempelt werden, aber keiner geschlossen wird. Auch sind betriebsbedingte Kündigungen bis 2019 ausgeschlossen. 600 Arbeitsplätze konnten gerettet werden, denn ursprünglich wollte Bombardier 2.800 Stellen streichen. Es gibt sogar einen Gewinner: Der ostsächsische Standort Bautzen, wo seit 120 Jahren Eisenbahnen gebaut werden, wird mit 1.000 Beschäftigten als Produktionszentrum für S- und U-Bahnen sowie Regional- und Fernzüge ausgebaut. Der große Verlierer ist dagegen das Werk im benachbarten Görlitz. Die frühere Wumag ist eine deutsche Eisenbahnlegende: Hier wurde 1932 der erste Schnelltriebwagen („Fliegender Hamburger“) gebaut und 1935 die ersten Doppelstockwagen.

In der niederschlesischen Grenzstadt werden nun 800 der 1.900 Bombardier-Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz verlieren. Olaf Wagner, IG-Metall-Chef von Ost­sachsen, sprach trotzdem von einem „sehr guten Tag für die Standorte“, da Bautzen aufgewertet und der Traditionsstandort an der Neiße nicht wie befürchtet komplett geschlossen wird. Wurden in Görlitz bisher Schienenfahrzeuge von Doppelstockzügen über Neigetechnik-ICE bis hin zu Metrozügen entwickelt und gebaut, sollen hier bald nur noch Wagenkästen, Doppelstockzüge und Straßenbahnen produziert werden.

Starke Einschnitte gibt es auch am mit 2.300 Mitarbeitern größten Bombardier-Standort in Hennigsdorf bei Berlin. Dieser darf sich zwar globales Entwicklungszentrum für S- und U-Bahnen sowie Regional- und Fernzüge nennen, dafür fallen bis zu 500 Stellen weg. Aufatmen kann Mannheim, wo 1.000 Beschäftigte Bahnantriebs- und Steuertechnik entwickeln und produzieren. Kassel (700 Mitarbeiter) bleibt für die Entwicklung und den Bau von Lokomotiven zuständig und übernimmt deren Wartung und Instandhaltung. In Braunschweig werden von 150 Mitarbeitern Bahnsteuersysteme entwickelt, in Siegen Drehgestelle entwickelt und gebaut. Abschied müssen die Mitarbeiter der Berliner Bombardier-Zentrale von ihrem repräsentativen Altbau am Schöneberger Ufer nehmen. Für sie werden Büros am Postdamer Platz gemietet, oder sie müssen nach Hennigsdorf umziehen.

Umgesetzt würde der Stellenabbau bis 2020 in Abhängigkeit der Marktentwicklung und des Auftragseingangs, sagte Deutschlandchef Fohrer. Unklar ist dabei, was die derzeit verhandelte Fusion der Bahnsparten von Siemens und Bombardier in Form eines Joint Ventures für die geschilderte Neuaufstellung bedeutet würde.

Bombardier Transportation:  bombardier.com