© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/17 / 07. Juli 2017

Die EU verhängt 2,4-Milliarden-Strafe gegen Google
Härteres Sanktionsklima
Thomas Fasbender

Die EU verhängt eine 2,4-Milliarden-Strafe wegen Wettbewerbsverstößen gegen den US-Konzern Google – Microsoft mußte vor vier Jahren weniger als ein Viertel davon zahlen. VW muß in den USA über 20 Milliarden Euro für sein Dieselgate blechen. Die Deutsche Bank muß im US-Hypothekenstreit 3,1 Milliarden abdrücken, die Libor-Affäre summierte sich auf 2,5 Milliarden Dollar – zu zahlen an britische und amerikanische Aufsichtsbehörden.

Der US-Kongreß dreht an den russischen Daumenschrauben, Donald Trump fordert neue Iran-Sanktionen, Brüssel und Moskau verlängern ihre Sanktionitis bis 2018. Wer nicht hören will, muß fühlen – pädagogische Grundsätze aus autoritärer Vorzeit. Das droht auch den Briten: Nur keine Extrawürste beim Brexit, denn am Ende spricht sich noch herum, daß ein Land auch ohne EU existieren kann.

Die einstigen Beitrittsbefürworter schreien nun am lautesten, weil die Türkei vorerst weiter EU-Heranführungs-Millionen erhält. Polen oder Ungarn wird mit dem Entzug des Stimmrechts und der EU-Strukturhilfen gedroht, weil sie sich muslimischer Einwanderung verweigern. Mit der „Lex Facebook“ – alias Netzwerkdurchsetzungsgesetz – sanktioniert der Bundestag das amerikanische Verständnis von Meinungsfreiheit. Jenseits des Atlantik gilt das First Amendment von 1791 – die freie Rede ohne Wenn und Aber. Hingegen führt die analoge Traditionslinie in Deutschland zu den Karlsbader Beschlüssen von 1819. Mit damaligen Fürstenvertretern teilen Union und SPD die Bürde, ihr Volk vor Seelenschäden zu bewahren. Dazu gehört der Schutz vor angeblichen „Fake News“ und offener, ungeschminkter Sprache in Lutherscher Tradition. Die Auffassungen zu dem Thema hierzulande und in den USA könnten kaum unterschiedlicher sein.

Der politische Erfolg von Sanktionen ist überschaubar. Ob Österreich im Jahr 2000, Iran, Israel, Rußland und Kuba oder die Redeverbote für Recep Tayyip Erdogan – Boykotte und Sanktionen solidarisieren in der Regel nur die betroffenen Völker mit ihrer Führung. Fatal wirken sie sich auf die Wirtschaft aus. Was ein „harter Brexit“ und der offene Haß gegen Trump die deutschen Firmen kosten, ist unabsehbar – die Exportvolumina (86 bzw. 106 Milliarden Euro im Jahr 2016) werden auf jeden Fall sinken. Zu den Rußlandsanktionen gibt es bereits Zahlen: Laut dem Wiener Wifo-Institut schlugen sie 2015 in der EU mit Exporteinbrüchen von 18 Milliarden Euro und 400.000 verlorenen Arbeitsplätzen zu Buche.

Was macht Sanktionen, selbst wenn sie ins eigene Fleisch schneiden, dennoch so attraktiv? Angesichts erodierender Legitimität bieten sie den gesellschaftlichen Eliten den Anlaß, ihre Autorität zu demonstrieren. Selbstvergewisserungen sind immer dann wichtig, wenn bisherige Loyalitäten bröckeln und nur noch Carl Schmitt hilft: „Souverän ist, wer Sanktionen verhängt.“