© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/17 / 07. Juli 2017

Wie Linke eine Stadt vor sich hertreiben
Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der G20-Länder: „Aktionen“ von gewaltaffinen Radikalen versprechen Hamburg düstere Tage
Hinrich Rohbohm

Ein Orkan rollt auf die Hansestadt Hamburg zu. Für einen sturmerprobten Norddeutschen eigentlich nichts Ungewöhnliches. Doch dieser Orkan, der Hamburg am kommenden Wochenende zu erfassen droht, ist anders. Er hat nichts mit dem Wetter zu tun. Dennoch sehen sich zahlreiche Hanseaten veranlaßt, die Elbmetropole für einige Tage zu verlassen. Restaurantbesitzer schließen die Pforten, Inhaber von Einzelhandelsgeschäften verbarrikadieren ihre Schaufenster oder sperren sie mit Bauzäunen ab. Selbst Unternehmen wie Lufthansa-Technik oder Gruner & Jahr schließen, geben ihren Mitarbeitern einen Tag Sonderurlaub.

8.000 Krawallmacher, ihr Motto: „Welcome to Hell“

Bei vielen Hamburgern ist schon jetzt der Unmut groß. Zum einen darüber, daß der Gipfel ausgerechnet in Hamburg stattfinden müsse. Zum anderen über die „Chaoten aus der linken Szene“, über die sich eine Berufspendlerin aufregt. „Andauernd gibt es Probleme mit der Bahn, diese linken Idioten wollen, daß sich die Leute über die Politiker aufregen. Okay. Dann sollen sie die doch ärgern und nicht uns“, sagt die 29 Jahre alte Bauzeichnerin aus Barmbek-Uhlenhorst. „Ich glaube, die Linken machen sich gerade total unbeliebt bei den Leuten“, meint ein 18 Jahre alter Schüler gegenüber der JF. Hintergrund des Unmuts waren Brandanschläge sogenannter „linksautonomer Gruppen“ auf mehrere Bahnstrecken, die im Vorfeld des G20-Gipfels erfolgten.

An diesem Wochenende werden die 20 mächtigsten Staatschefs der Erde nach Hamburg kommen. Und die Bürger der Hansestadt werden sich auf Einschränkungen einstellen müssen. Abgesperrte Straßen. Ausfallende, verspätete oder umgeleitete Züge. Sicherheitsüberprüfungen. Allein der Einzelhandel rechnet durch all die Einschnitte mit einem Umsatzverlust von 15 Millionen Euro. Der Grund: 8.000 linksextreme Krawallmacher wollen das Gipfeltreffen in der Hansestadt zur Hölle werden lassen. „Welcome to Hell“ ist auch ihr Motto, unter dem die sogenannte „linksautonome“ Szene zum Kampf gegen Ziele und Inhalte der G20-Staaten international mobilisiert.

Die Polizei ist entsprechend alarmiert. Am vergangenen Sonntag räumte sie das Zeltlager auf der Halbinsel Elbpark Entenwerder im Stadtteil Rothenburgsort. „Wir gehen davon aus, daß ein zentrales Übernachtungscamp mit 3.000 Zelten für 10.000 Menschen auch von militanten Autonomen genutzt werden würde. Wir werden keinen Rückzugsort für Straftäter erlauben“, hatte ein Polizeisprecher wenige Stunden vor der Räumung verkündet.

Der rot-grüne Senat ist bemüht, in Fragen der Sicherheit seiner Gäste und Bürger keine Zweifel aufkommen zu lassen. Und gerät dabei doch in eine äußerst delikate Situation. Schließlich waren gerade die Grünen in der Vergangenheit bei Anti-Globalisierungsprotesten stets ganz vorn mit dabei. Und die Grenzen zu Gewalttätern waren längst nicht immer so deutlich markiert, wie es die Öko-Partei dieser Tage gern vermitteln möchte.

Wie fließend die Übergänge sind, zeigt sich unter anderem anhand des Vereins Campact. Nach außen wirbt die Organisation für Frieden, Umweltschutz und Gewaltlosigkeit. Bei den G20-Protesten in Hamburg versucht sie sich gezielt von gewaltbereiten Linksextremisten abzusetzen. So hat sich Campact von der am Samstag geplanten Großdemonstration distanziert, bei der auch die gewaltbereite autonome Szene mit von der Partie sein wird. Statt dessen hatte der Verein am vergangenen Sonntag mit Umwelt- und Entwicklungsverbänden wie Greenpeace, WWF, Nabu, BUND oder Oxfam eine eigene Protestaktion durchgeführt.

Andererseits kooperiert Campact jedoch eng mit der linksradikalen Globalisierungskritiker-Organisation „Attac“. Der heutige Campact-Geschäftsführer Christoph Bautz hatte einst die Geschäftsstelle von Attac-Deutschland mit aufgebaut und die Öffentlichkeitsarbeit des Vereins koordiniert. Auch der zweite geschäftsführende Vorstand des Vereins, Felix Kolb, kommt aus dem Umfeld von Attac, wirkte dort als Pressesprecher. Kolb und Bautz hatten zudem gemeinsam die „Bewegungsstiftung“ ins Leben gerufen.

Die Stiftung unterstützt Vereine und Initiativen aus der sogenannten Friedensbewegung, der Umweltbewegung sowie aus der Bewegung der Globalisierungskritiker. Eine der von ihnen finanziell geförderten Institutionen ist die Organisation Attac.

Sowohl Bewegungsstiftung als auch Campact haben ihre Büros im gleichen Gebäude, einem ebenfalls in Form eines eingetragenen Vereins bewirtschafteten „Ökologischen Zentrums“ in der niedersächsischen Stadt Verden an der Aller. Das „Ökologische Zentrum“ wurde Ende der neunziger Jahre von Studenten um den heutigen Europaabgeordneten von Bündnis90/Die Grünen Sven Giegold ins Leben gerufen. Und Giegold war es auch, der an der Gründung von Attac Deutschland im Januar 2000 maßgeblichen Anteil hatte.

In Deutschland zählen rund 200 Organisationen zum Netzwerk von Attac. Darunter die DKP-nahe „Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen“ (DFG-VK), der Bund der religiösen Sozialistinnen und Sozialisten Deutschlands, die der marxistischen Befreiungstheologie nahestehenden ChristInnen für den Sozialismus, Grüne Jugend, Humanistische Partei Deutschlands, Jusos, Linksjugend solid oder etwa die marxistischen Jungdemokratinnen/Junge Linke.

Während sich Campact somit als Zusammenschluß seriöser und gesetzes­treuer Friedens- und Umweltaktivisten verkauft, wird ihr enger Kooperationspartner Attac am 8. Juli Seite an Seite mit der gewaltbereiten linksautonomen Szene demonstrieren und somit eine Schnittstelle zwischen vermeintlich friedfertigen Demonstranten und linksextremen Gewalttätern bilden.

Eine im wahrsten Sinne des Wortes graue Eminenz von Attac Deutschland ist Werner Rätz, ein 65 Jahre alter Berufsdemonstrant und ehemaliges Mitglied des Kommunistischen Bundes (KB). Rätz gehört zum bundesweiten Koordinierungskreis von Attac und spielte eine nicht unerhebliche Rolle bei den gewalttätigen Ausschreitungen der Blockupy-Proteste in Frankfurt/Main. In einem Interview mit der FAZ vom 27. Mai 2013 hatte er angekündigt, bei den bevorstehenden Blockupy-Protesten Straftaten nicht ausschließen zu wollen. „Wir haben mit allen Beteiligten einen Konsens für die Aktionstage geschlossen. Einen konkreten Satz, daß es keine Gewalt geben wird, haben wir nicht formuliert“, sagte er damals.

Im wissenschaftlichen Beirat von Attac ist zudem die ehemalige Bundestagsabgeordnete der Grünen und Herausgeberin der Antifaschistischen Nachrichten, Annelie Buntenbach, vertreten. Ebenso gehören dem Gremium der Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge und der ehemalige Stasi-IM und Chefideologe der Linkspartei Michael Brie an. Auch das ehemalige DKP-Mitglied Peter Wahl, ein Mitgründer von Attac, zählt dazu.

Politiker sorgen für Kontakte in Parlamente und Justiz

Darüber hinaus tummelt sich bei Attac gleich eine Fülle von Polit-Prominenz. Darunter etwa ver.di-Chef Frank Bsirske (Bündnis 90/Die Grünen), die ehemaligen Alt-Achtundsechziger und SDS-Mitglieder Frank Deppe und Elmar Altvater, der CDU-Politiker Heiner Geißler, Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD), Ex-SPD- und Ex-Linke-Chef Oskar Lafontaine oder der einstige RAF-Anwalt und ehemalige hessische Justizminister Rupert von Plottnitz (Bündnis90/Die Grünen). Politiker, die mit ihren Kontakten in Parlament, Regierung und Justiz die Polizei und Staatsanwaltschaften bei Krawallen durchaus ausbremsen könnten.

Mit von der Partie sein wird auch die Interventionistische Linke (IL), die sich aus zahlreichen Antifa-Gruppen gebildet hat und vom Verfassungsschutz als linksextrem eingestuft wird. Bereits beim G8-Gipfel in Heiligendamm vor zehn Jahren soll die Gruppierung an Ausschreitungen beteiligt gewesen sein.

Als Hochburg linksextremer Gewalttäter in Hamburg fungiert dagegen nach wie vor die „autonome“ Szene rund um das Gebiet der „Roten Flora“, einem ehemaligen Kino und Tanzpalast. Die Fenster des Gebäudes sind abgedunkelt, die Mauern außen wie auch innen mit Graffiti beschmiert. Darunter Kampfparolen und Solidaritätsbekundungen für die Antifa oder die PKK. Mit letzterer wird angesichts der Teilnahme des türkischen Staatspräsidenten Erdogan am G20-Gipfel ebenfalls zu rechnen sein. Seit 1989 ist die „Rote Flora“ von Linksextremisten besetzt. Es ist der Mittelpunkt der autonomen Szene. Der G20-Gipfel wird nur einen Kilometer entfernt stattfinden. „Das ist eine Provokation, eine Kriegserklärung an unser Viertel“, entgegnet eine Anwohnerin giftig.

Der Bezirk Altona beherbergt gleich mehrere Zentren der linksradikalen Szene. Neben dem sogenannten Internationalen Zentrum in der Brigittenstraße 5, in der einschlägigen Szene kurz „B5“ genannt, existieren etwa das anarchistische Libertäre Zentrum (LIZ) in der Karolinenstraße und das in der Fettstraße befindliche Libertäre Kultur- und Aktionszentrum (LKA). Letzteres wird maßgeblich von der den Parlamentarismus ablehnenden und den sogenannten Autonomen nahestehenden Freien Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union (FAU) geführt.

Hier, im Schanzen- und Karolinenviertel, sind sich fast alle einig: Sie werden den „neoliberalen Eliten“ einen „heißen Empfang“ bereiten. „Die sollen sich verpissen. Das hier ist unser Revier“, antwortet ein Mann um die Dreißig auf die Frage, was er vom G20-Gipfel halte. Das Schanzen- und Karolinenviertel ist auch der Ausgangspunkt für die jährlichen 1.-Mai-Krawalle. Doch diesmal, da stimmen Polizisten und Autonome ausnahmsweise überein, könnte es weitaus heftiger zugehen.