© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/17 / 07. Juli 2017

Lesereinspruch

500 Jahre zu früh

Zu: „Bismarcks Werk wird 150“ von Hans-Otto Schulze (JF 26/17)

Dem profunden Artikel über die staats- und verfassungsgeschichtlichen Kontinuitäten ist bei der heraldischen Geschichte des („Doppel“-)Adlers zu widersprechen: „Deutsches Wappen ist seit den Tagen Karls des Großen der Reichsadler.“ Wiewohl die Symbolik des Doppeladlers altorientalische Wurzeln hat, beginnt eine abendländische Rezeption dieses Bildmotivs erst im 13. Jahrhundert. Adler und Doppeladler sind zudem in getrennten Traditionen zu betrachten. Das Karolingerreich kannte überhaupt keine staatliche Heraldik, mithin auch den Adler respektive Doppeladler nicht, weder auf Münzen noch auf Siegeln. Die Übernahme dieser heraldischen Figur beginnt erst in der Stauferzeit, insbesondere unter Friedrich II., der den Doppeladler auf sizilianischen Goldmünzen („Augustales“) erstmals nach 1200 verwendet. Der Doppeladler als zentrales Bildelement des entstehenden Reichswappens ist erst eine Errungenschaft des späteren Kaisers Sigismund am Ende des 14. Jahrhunderts, bis es vom 15. Jahrhundert bis 1806 das heraldische Motiv für ein regelrechtes „Reichsbanner“ wird.

Dr. Matthias Kordes,  Recklinghausen