© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/17 / 30. Juni 2017

Ein Kämpfer gegen das Schweinetum der Moderne
Alexander Pscheras erbaulicher geistesgeschichtlicher Spaziergang mit dem französischen Reaktionär Léon Bloy
Werner Olles

Léon Bloy zählt zu den ganz großen katholischen Autoren. In seinem hundertsten Todesjahr ist nun eine zweisprachige Auswahl von Zitaten erschienen, zusammengestellt von einem der besten Kenner Bloys: Alexander Pschera. Mit Bloy stellt Pschera einen Autor vor, der seine Jugend in Périgueux verbrachte, wo er am 11. Juli 1846 geboren wurde. Religiöse Indifferenz und aggressiver Atheismus wandelten sich mit seiner Übersiedlung nach Paris. 

Es war vor allem die Begegnung mit dem französischen Traditionalisten Barbey d’Aurevilly, die ihn zum Glauben zurückführte. Gleichzeitig erwachte das Bewußtsein seiner Berufung zum „Pilger des Absoluten“, doch sein Schriftstellertum war in einer Welt des Nihilismus zur Erfolglosigkeit verurteilt. Die damit verbundene physische Armut und das totale Elend ertrug er bis zum Tod. 

In der Natur des religiösen Schriftstellertums insofern ist durch das eigene Dasein Zeugnis ablegt liegt es, daß das litererarische Werk Bloys in großen Teilen Selbstdarstellung ist. Seine Polemiken gegen die Moral und Religion der Mediokrität, aber auch seine Romane sind kaum verschlüsselte Darstellungen extrem schwieriger Lebensumstände, überhöht durch großartige Entwürfe einer symbolischen Weltschau. 

Bloys zornige Reflexe auf  die Französische Revolution

Die ganze Dimension seines absoluten, antibürgerlichen Katholizismus äußert sich jedoch in Betrachtungen, Briefen, Gesprächen, Gedanken und Gebeten. Bloys religiöses Denken war nicht durch eine reflektierte theologische Konzeption geprägt, sondern von seiner Berufung, als Vorkämpfer für die Christenheit das Bewußtsein im französischen Volk zu wecken. „Wie ist doch diese Welt unvereinbar mit Geschöpfen, die nur Gott suchen, und denen das Absolute ein Bedürfnis ist“, schrieb er, den man auch den „christlichen Céline“ nannte, und wütete gegen seine Zeitgenossen, die Journalisten, die Reichen, die Protestanten, gegen England, gegen die religiöse Dekadenz eines modernisierten Katholizismus. Er war einer der „großen Polemiker der Weltliteratur“ (Alexander Pschera), der vor allem eines vermißte: „christlichen Heroismus“. Für die Demokratie hatte er nicht viel übrig, vielmehr stellte er sich auf die Seite der Autorität und schlug sich in der Affäre um den jüdischen Hauptmann Dreyfus weder auf die Seite der bornierten Antisemiten noch der heuchlerischen Philosemiten.

Bloys Absolutheit und Kompromißlosigkeit sind auch als Reflex auf die Französische Revolution zu verstehen, die die Menschenrechte und die Demokratie an die Stelle der göttlichen Ordnung setzte. Die Niedertracht der Revolution, die den Pöbel an die Macht brachte und vor einem Völkermord an den katholischen, royalistischen Bauern in der Vendée nicht zurückschreckte, ekelte ihn an. 

Bloy sah, daß nur eine radikale auf Christus ausgerichtete Existenz den Menschen dazu befähigt, das Jammertal seines irdischen Daseins zu ertragen, und stellte dem „Schweinetum der Moderne“ Christi Barmherzigkeit gegenüber. „Die Armut ist nichts anderes als das Antlitz Christi, das ausgebuhte Antlitz Christi, das den Fürsten der Welt in die Flucht schlägt“, schrieb er und fügte hinzu: „Heutzutage ist es angemessen, den heuchlerischen und unbarmherzigen Gesellschaften die göttliche Bestätigung der herausragenden Würde der Armen ins Gesicht zu schleudern.“

In seinem Vorwort schreibt Pschera: „Will man Bloy gerecht werden, so muß man ihn in der Nähe der Kirchenväter und der mystischen Schriftsteller lesen. Bloy schrieb auch nicht für Leser, sondern, wie er selbst es ausdrückte, für Seelen. Und das heißt, er schrieb für Gott.“ Bloy selbst, völlig frei von Illusionen, befand schließlich: „Wir befinden uns im Herbst der Welt. Die Blüte der Seelen ist unterbrochen und der Winter naht mit all seinen Schrecken.“ Léon Bloy, der „Pilger des Absoluten“, starb unter dem Eindruck der apokalyptischen Ereignisse des Ersten Weltkrieges am 3. November 1917 in Bourg-la-Reine im Kreise seiner Familie

Alexander Pschera: Unterwegs mit Léon Bloy. Gespräche Gedanken Gebete. Fe-Medienverlag, Kisslegg 2017, gebunden 196 Seiten, zweisprachig, 8,95 Euro