© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/17 / 30. Juni 2017

Fred Mrotzek. Der neue NDR-Rundfunkrat ist einigen Linksextremen ein Dorn im Auge.
Die Zielscheibe
Ronald Berthold

Es gehört in Deutschland nicht mehr viel dazu, Zielscheibe von Antifaschisten zu werden. Im Fall Fred Mrotzek reichte dafür dessen wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem kommunistischen Regime. Nun ist der 52jährige trotz aller Anfeindungen zum Chef des NDR-Landesrundfunkrates in Mecklenburg-Vorpommern gewählt worden. Dazu wiederum gehört ob dieser Gemengelage einiges.

Der promovierte Historiker lehrt Zeitgeschichte an der Universität Rostock und forscht auch zum Thema „Diktaturen in Deutschland“. Die Verwendung des Plurals – die Feststellung, es habe mehr als eine Diktatur gegeben – empfinden manche bereits als Provokation. Der gebürtige Parchimer engagiert sich zudem als Landesvorsitzender der Vereinigung der Opfer des Stalinismus (VOS).

Obwohl er auch dem länder­übergreifenden NDR-Rundfunkrat angehört, hat Mrotzek keine Scheu, bei Vertriebenen aufzutreten. Auf dem Ostpreußentreffen Mecklenburg-Vorpommern benannte er 2014 die „furchtbaren Verbrechen“ der sowjetischen Truppen „an der deutschen Zivilbevölkerung“. Für die Massenmorde machte er auch den Schriftsteller und sowjetischen Propagandisten Ilja Ehrenburg (1891 – 1967) verantwortlich und verlas vor der Landsmannschaft dessen Zitate: „Wenn du nicht wenigstens einen Deutschen pro Tag tötest, war dieser Tag vergeudet.“ Und: „Es gibt nichts Lustigeres als einen Berg deutscher Leichen.“

Mrotzek forderte, die Ilja-Ehrenburg-Straße in Rostock umzubenennen und beklagte zugleich, sich dafür rechtfertigen zu müssen: „Ich habe es satt, als Extremist beschimpft zu werden, nur weil ich auf meine ostpreußischen Wurzeln und weil ich auf die Ilja-Ehrenburg-Straße in Rostock aufmerksam mache.“

Zu jenen, die ihm „Extremismus der Mitte“ und eine „Nähe zum rechten Rand“ unterstellten, gehörten Rostocker Studenten, die bis Frühjahr 2017 unter dem Namen „Kritische Uni“ versuchten, gegen ihn Stimmung zu machen. Auch warfen sie ihm vor, der Burschenschaft Redaria Allemannia nahezustehen, da diese sich nur „liberal“ inszeniere, tatsächlich aber „deutsch-national, frauenfeindlich ist und Ethnopluralismus vertritt“. Da sich auch die NPD gegen die Ehrenburg-Straße stark macht, konstruierten Mrotzeks Gegner flugs, dieser habe den Rechtsextremen „sekundiert“.

Angesichts dieser Vorwürfe kann es als kleine Sensation gelten, daß Mrotzek nun dem Landesrundfunkrat in seinem Bundesland vorsteht. Auch hier dürfte sein Augenmerk der Aufarbeitung sozialistischer Verbrechen gelten. Dies ist sein Lebensthema: Bereits bevor er vor 18 Jahren Vize-Verwaltungsleiter der Forschungs- und Dokumentationsstelle Mecklenburg-Vorpommerns zur Geschichte der Diktaturen in Deutschland wurde, widmete er sich an der Uni Mannheim dem Projekt „Kommunistische Hegemonie“.