© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/17 / 30. Juni 2017

Europäischer Finanzminister
Fluchtversuch nach vorn
Michael von Prollius

Ein mächtiger Euro-Finanzminister mit eigenem Budget – das wäre ein Coup. Der französische Präsident Macron wäre den Reformdruck los, Deutschland zahlt. Die EU-Adepten wären trotz Euro-Misere, trotz Brexit, trotz gespaltener Union und gegen den Volkswillen am Ziel: eine Fiskalunion unter ihrer Führung. Die zweitgrößte Volkswirtschaft scheidet aus, und Brüssel schneien Milliarden ins Haus. 

Warum positioniert sich die deutsche Bundeskanzlerin vage wohlwollend? Über die Motive kann man spekulieren: Vor der Bundestagswahl im September noch rasch eine Frischzellenkur mit dem jungen, medial hofierten, französischen Präsidenten als willkommene politische Inszenierung. Liefern muß zunächst niemand. Das Grundgesetz ist eine Hürde für die Übertragung des Budgetrechts. Doch leider wurde das Recht in der Eurokrise schon viel zu oft schwer beschädigt. 

Ideologie spielt eine wichtige Rolle. Frankreich strebt eine Zentralisierung Europas an, ohne D-Mark. Seit 1946 betreibt Paris ein System staatlicher Planung der Volkswirtschaft (Planification), eine Art marktwirtschaftlichen Etatismus. Deutschland hat sich weit von der liberalen Marktwirtschaft der Gründerväter entfernt. Großmachtträume und Probleme nach Brüssel schieben, beides geht zu Lasten der Bürger, keine 30 Jahre nach der Implosion des Ostblocks.