© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/17 / 23. Juni 2017

Abschrecken statt kuscheln
Der frühere Kriminalkommissar Karlheinz Gaertner über den frustrierenden Alltag deutscher Polizisten
Jan Timke

Wenn ein Polizeibeamter aus dem Nähkästchen plaudert und über seine Einsätze an sozialen Brennpunkten Berlins berichtet, darf man ein spannendes und kurzweiliges Buch erwarten. Das mittlerweile dritte Werk des früheren Hauptkommissars Karlheinz Gaertner mit dem Titel „Sie kennen keine Grenzen mehr“ erfüllt diese Erwartungen.

Nach „Kampfzone Straße“, erschienen im Jahr 2012, und „Nachtstreife“ (2015) gewährt der Autor auch in seinem neuen Buch interessante Einblicke in seinen gefährlichen Alltag als Zivilfahnder in Berlin-Neukölln, einem bekannten Problemviertel der Hauptstadt mit hohem Ausländeranteil. Auf 244 Seiten wird der Leser mit einer breiten Palette von Straftaten konfrontiert, was zeigt, wie vielschichtig und zugleich belastend die Tätigkeit von Polizisten in einer deutschen Metropole heutzutage ist. Seine Erlebnisse beschreibt Gaertner in kurzen Episoden, die unterhaltsam und gut lesbar sind, auch weil auf polizeiliche Fachbegriffe weitestgehend verzichtet wird.

Einige der Schilderungen bringen den Leser zum Schmunzeln, lassen sie doch erhebliche Zweifel an der Intelligenz mancher Straftäter aufkommen. So ertappte Gaertner eines Nachts ein älteres Ehepaar, das gerade dabei war, Pflastersteine für den heimischen Garten von einer Baustelle zu stehlen. Zur Aufnahme der Personalien begleitete der Ermittler das Diebesduo nach Hause. Dort fand er ein umfangreiches Arsenal an verbotenen Waffen bis hin zu Maschinenpistolen. Das Waffenlager wäre wohl nie aufgeflogen, hätte sich das Rentnerpaar nicht beim Steineklauen erwischen lassen!

Die meisten Fälle, mit denen sich Gaertner und seine Kollegen in ihrer täglichen Praxis konfrontiert sahen, waren jedoch weit weniger amüsant. Oftmals werden die Polizisten bei ihren Ermittlungen an die Grenze des menschlich Erträglichen geführt. Das gilt etwa für Mißbrauchsdelikte an Kindern, die selbst den erfahrensten Kriminalisten unter die Haut gehen. In dem von ihm geschilderten Fall erspart Gaertner seinen Lesern dankenswerterweise abstoßende Details, ohne der Geschichte aber die Dramatik zu nehmen.

In den Berichten Gaertners schwingt eine gehörige Portion Frust und Resignation mit, wenn es um den Umgang mit Rechtsbrechern durch die Justiz geht. Tatverdächtige, die Gaertner und seine Kollegen nicht selten mehrfach festgenommen hatten, waren schon nach wenigen Tagen wieder auf freiem Fuß und gingen ihren kriminellen Geschäften nach. Als ein typisches Beispiel nennt Gaertner Taschendiebe aus Rumänien. Bei einem Einsatz konnten die Beamten vier Jugendliche nach einem Diebstahlsversuch festnehmen und gestohlene Geldbörsen sicherstellen.

Die Tatverdächtigen hatten keine Ausweise und gaben an, erst zwölf Jahre alt und damit nicht strafmündig zu sein. Körperstatur und Bartwuchs deuteten jedoch auf ein deutlich höheres Alter hin. Um Klarheit zu schaffen, wurde ein richterlicher Beschluß zur Altersfeststellung beantragt. Doch das zuständige Gericht lehnte den Antrag wie so häufig als „unverhältnismäßig“ ab. Den Ermittlern blieb nichts anderes übrig, als die vermeintlich Minderjährigen dem Kindernotdienst zu übergeben, da sie nach eigenen Angaben unbegleitet nach Deutschland gekommen waren. Unnötig zu erwähnen, daß die jungen Rumänen nicht lange in der offenen Einrichtung blieben, sondern bald das Weite suchten.

Political Correctness hilft ausländischen Straftätern

Breiten Raum widmet Gaertner dem Problem der kurdisch-arabischen Clans, die Berlin „im Würgegriff“ haben. „Sie führen ihre Taten mit einer schon an Größenwahn grenzenden kriminellen Energie durch, daß einem angst und bange werden kann“, schreibt der Ex-Ermittler. Eindrucksvoll schildert Gaertner eine Gerichtsverhandlung gegen Angehörige dieses kriminellen Milieus. Jeder Angeklagte ließ sich von gleich zwei teuren Top-Anwälten vertreten, obwohl alle Tatverdächtigen Sozialhilfe bezogen. Man kann sich unschwer ausmalen, aus welchen Quellen die Prozeßvertreter finanziert wurden. Während der Verhandlung zeigten die Angeklagten, ihre Verteidiger und die zur Unterstützung angereisten Familienangehörigen keinerlei Respekt vor den Vertretern der Justiz und den anwesenden Polizisten, die als Zeugen geladen waren.

Für Gaertner ist klar, wer für die krakenartige Verbreitung krimineller ausländischer Clans in Deutschland verantwortlich ist: „Ich möchte keine Richterschelte betreiben, aber Fakt ist, daß diese hochgradig Kriminellen bereits in den Jahren zuvor auch mit Hilfe der Justiz hätten gestoppt werden können. Sie hatten niemals die Absicht, unser demokratisches Wertesystem zu übernehmen und sich an unsere Rechtsordnung zu halten. Jegliche Integrationsbemühungen mußten hier von vornherein scheitern. Warnzeichen gab es genug. Aus falsch verstandener Toleranz und fehlgeleiteter Political Correctness, die ohne Unterschied bei leisester Kritik sofort Ausländerfeindlichkeit unterstellt, wurde den Straftätern gegenüber eine Strategie der Schwäche entwickelt, die diese rigoros ausnutzen. Und das unter den Augen und mit Unterstützung von praktisch allen staatlichen Institutionen und der Politik.“

Daß der mittlerweile pensionierte Gaertner trotz vieler Enttäuschungen bis zuletzt mit Leib und Seele Polizist war, wird an jeder Stelle seines Buches deutlich. Trotzdem nimmt er kein Blatt vor den Mund. Gaertner kritisiert nicht nur die mangelnde Unterstützung durch die Politik, sondern auch die wachsende Respektlosigkeit vor allem von Jugendlichen gegenüber der Polizei bis hin zu Steinwürfen und Molotowcocktails auf Beamte, etwa durch Angehörige der linksautonomen Szene.

Die Forderungen des praxiserfahrenen Ex-Polizisten sind nachvollziehbar und unterstützenswert: Abschreckende Strafen statt Kuscheljustiz, konsequente Abschiebung ausländischer Straftäter sowie eine effektive Zusammenarbeit der Ermittlungsbehörden über die Grenzen der Bundesländer hinweg, um nur die wichtigsten zu nennen. Mit diesen Vorschlägen dürfte Gaertner bei den politisch Verantwortlichen allerdings auf wenig Gegenliebe stoßen, schon gar nicht im jetzt rot-rot-grün regierten Berlin.


Karlheinz Gaertner: Sie kennen keine Grenzen mehr. Die verrohte Gesellschaft. Erfahrungen eines Polizisten. Orell Füssli Verlag, Zürich 2017, gebunden, 244 Seiten, 19,95 Euro