© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/17 / 23. Juni 2017

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Dicke Luft statt „Schöne Aussicht“
Paul Rosen

Wahlen gewinnen die Sozialdemokraten immer seltener, aber auf Personalpolitik verstehen sie sich nach wie vor meisterhaft. Das war schon 1969 so, als die Sozialdemokraten in Bonn an die Macht kamen und CDU-nahe Regierungsbeamte durch rote Parteigänger ersetzt werden sollten. Unionspolitiker begnügen sich mit der Besetzung von Chefposten – der Rest ist egal.

Beispielhaft für den roten Personalklüngel steht die Bundestagsverwaltung. Obwohl Präsident Norbert Lammert der CDU angehört, hat die SPD weitgehend die Personalhoheit. Bis auf ein paar Spitzenbeamte gilt das Gros der bald 3.000 Mitarbeiter als der SPD (und zum Teil auch den Grünen) verbunden.

Auch ein anderes Haus hat jetzt faktisch die SPD in Gänze übernommen: Das Bundespräsidialamt mit seinen rund 180 Beschäftigten wurde personell vollständig an den Wünschen des Bellevue-Hausherrn Frank-Walter Steinmeier ausgerichtet. Angefangen vom Chef des Bundespräsidialamtes bis zur Pressesprecherin sitzen Steinmeier-Leute an den wesentlichen Stellen: Stephan Steinlein, einst letzter Botschafter der DDR in Frankreich, gilt schon seit vielen Jahren als „politisches Alter ego“ (Die Zeit) von Steinmeier und folgt ihm vom Auswärtigen Amt nibelungentreu in das Präsidialamt.

Direkt angebunden an den Bundespräsidenten und seinen Amtschef ist die neue Pressesprecherin Anna Engelke, die bisher ihr Geld beim Norddeutschen Rundfunk verdiente. Der Fall Engelke hat Symbolik: Es ist heutzutage problemlos möglich, aus einer Redaktion in ein Regierungsamt und gegebenenfalls auch wieder zurück zu wechseln. Die in Bonn noch sorgsam beachtete Trennung von Presse und Ministerien oder Behörden existiert in Berlin nicht mehr. Auch die Sprecherin von Steinmeiers Vorgänger Joachim Gauck, Ferdos Forudastan, war Hauptstadtkorrespondentin (Frankfurter Rundschau). Zur ganzen Wahrheit gehört, daß schon Präsident Christian Wulff auf Journalisten setzte. Seinen Vertrauten Olaf Glaeseker (Augsburger Allgemeine) machte er zum Sprecher des Präsidialamts. Glaeseker ist inzwischen beim Burda-Verlag untergekommen.

Im Bundespräsidialamt gingen den Beschäftigten die Personalentscheidungen so auf die Nerven, daß der Personalrat als Vertretung aller Mitarbeiter hinwarf und geschlossen zurücktrat. Angeblich ging es um eine unterlassene Beteiligung des Gremiums am Facebook-Auftritt des Präsidialamtes, doch tatsächlich hat der aus der SPD-Zentrale stammende Oliver Schmolke die von ihm übernommene Abteilung 1 (Inland) so durcheinandergewirbelt, daß dort kaum noch ein Stein auf dem anderen steht. Abteilung 2 (Ausland) wurde mit Thomas Bagger ebenfalls von einem Steinmeier-Intimus übernommen. Daß Redenschreiber Wolfgang Silbermann und Büroleiterin Dörte Dinger zu den Vertrauten des Präsidenten gehören, versteht sich von selbst.

Steinmeier verteidigte ruppig seine Personalpläne: „Es kann doch wohl kein Fehler sein, wenn man in dieses Amt ein globales Netzwerk mitbringen kann und nicht erst mühsam eins knüpfen muß.“