© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/17 / 23. Juni 2017

Ländersache: Niedersachsen
Alles andere als klar
Paul Leonhard

Soviel steht fest: Im niedersächsischen Wirtschaftsministerium hat es Mauscheleien gegeben. Was genau dort vor sich ging, soll auf Antrag der Opposition und mit Zustimmung der rot-grünen Regierungsfraktionen ein Untersuchungsausschuß des Landtags klären. Aktiv ist auch die Staatsanwaltschaft Hannover. Sie ermittelt „wegen wettbewerbsbeschränkender Absprachen bei Ausschreibungen“ gegen den ins Landesbergamt strafversetzten früheren Ministeriumssprecher Stefan Wittke sowie gegen die inzwischen entlassene Wirtschaftsstaatsekretärin Daniela Behrens. Sie erhält derweil noch für drei Monate mehr als 11.000 Euro Besoldung plus Amtszulage und weitere drei Jahre lang 71 Prozent ihrer Bezüge, schreibt die Hessische Niedersächsische Allgemeine.

Ein seltsam hilfloses Bild bietet seitdem Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD). Denn Behrens ist nicht nur erklärtermaßen „meine engste Mitarbeiterin“ und „eine sehr gute Freundin“; Untersuchungsgegenstand sind ausgerechnet Themen, mit denen Sozialdemokrat Lies öffentlich punkten wollte: die E-Mobilität. Sein Pech: Es wurde publik, daß die Moderation der Veranstaltungsreihe „Sieben-Städte-Tour Elektromobilität“ 2015, die noch dazu ein Mißerfolg war, über die Bedenken des Vergabereferats hinweg an einen Hörfunksender vergeben worden war. Die Verantwortung dafür übernahm nicht Lies, sondern der Pressesprecher, der „auf eigenen Wunsch vorübergehend“ mit einer anderen Aufgabe betraut worden sei.

Behrens dagegen stolperte über die Vergabe der Neugestaltung einer Internetseite an eine Agentur aus Hannover, mit deren Geschäftsführern sie zuvor Gespräche geführt hatte. Die hätten der Sozialdemokratin dabei „quasi die Anforderungen und den Umfang der Ausschreibung in den Block diktiert“, schreibt die Hannoversche Allgemeine Zeitung, der interne Mails aus dem Ministerium vorliegen. Schwerwiegende rechtliche Mängel bei der Auftragsvergabe bestätigt ein externer Gutachter, der den Vorgang untersuchen sollte. Immerhin ging es um mindestens 180.000 Euro, vielleicht auch mehr, da die Agentur noch Nachforderungen gestellt haben soll.

Daß ausgerechnet an höchster Stelle im Wirtschaftsministerium, das eigentlich über die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben bei Auftragsausschreibungen und -erteilungen wachen soll, gemauschelt wird, empört die Opposition. Es gebe Anzeichen dafür, daß Lies „wesentlich tiefer in die Unregelmäßigkeiten verstrickt“ sei, sagt der Landtagsabgeordnete Uwe Schünemann. Der Christdemokrat und frühere Innenminister verweist in diesem Zusammenhang auf die Entwicklung des Werbeslogans „Niedersachsen. Klar“, bei dem die Agentur eines SPD-nahen Unternehmers von der Staatskanzlei bevorzugt worden sei.

Damit rücken aber Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und insbesondere seine Regierungssprecherin, Staatssekretärin Anke Pörksen, ins Blickfeld des Untersuchungsausschusses. Dieser hat schon auf Antrag der Opposition seinen Auftrag erweitert: Auch etwaige Verdachtsfälle in anderen Ministerien sollen geprüft werden können. Das Motto der Regierung sei offenbar, „gute Arbeit ist, wenn der Freund den Auftrag gibt“, meint FDP-Fraktionsvize Jörg Bode, der selbst einmal Wirtschaftsminister war, und fragt: „Wie viele Vorgänge von Mauschelei gibt es noch?“