© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/17 / 16. Juni 2017

Das stille Aussterben
Die Giraffen sind in letzter Minute auf die Rote Liste gefährdeter Arten gekommen
Tobias Arendt

Ausgerechnet die bis zu sechs Meter großen, bis zu dreißig Zentner schweren Giraffen, wahrlich nicht die unscheinbarsten unter Afrikas Großsäugern, sind von der zoologischen Forschung bislang häufig übersehen worden (JF 10/16). Auch in diesem schwachen wissenschaftlichen Interesse dürfte die irrige Ansicht wurzeln, Giraffen benötigten, anders als Nashörner oder Löwen, keinen Schutz. So vollzog sich der dramatische, die Bestände um 40 Prozent dezimierende Rückgang der Populationen in den letzten 30 Jahren fast unter Ausschluß der Öffentlichkeit.

Es gibt vier Giraffenarten mit neun Unterarten

In sieben afrikanischen Ländern sind die durchschnittlich fünf Meter großen Tiere bereits ausgestorben. Ende 2016 setzte sie die Weltnaturschutzunion (IUCN) endlich auf ihre Rote Liste gefährdeter Arten, nachdem die Australier Stephanie und Julian Fennessy die Initiative ergriffen und in Namibia eine Schutzorganisation, die Giraffe Conservation Foundation (GCF), ins Leben gerufen hatten. Gleichzeitig sorgte Julian Fennessy, der Biologie an der University of Sydney lehrt, auch für frischen Wind in der Forschung. Gemeinsam arbeiteten die GCF und die Frankfurter Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung an einem Projekt zur genetisch basierten Neubestimmung der Gattung Giraffa. Dabei konnten sie im Herbst 2016 mit einer Überraschung aufwarten: Es gebe nicht, so resümierten die Wissenschaftler in Current Biology ihre Analysen der riskant genommenen Gewebeproben, nur eine, sondern vier Giraffenarten mit neun Unterarten.

So ist die Süd-Giraffe (Giraffa giraffa) in Südafrika zwischen Namibia und Simbabwe anzutreffen, die Massai-Giraffe (Giraffa tippelskirchi) in Kenia und Tansania und die Netzgiraffe (Giraffa reticulata) in den Savannenregionen Kenias bis hoch nach Somalia. Die Nord-Giraffe (Giraffa camelopardalis) lebt mit drei Unterarten in krisenreichen Ländern, zwischen Kamerun und Südsudan. Von der Netzgiraffe wurden 1998 noch 31.000 Tiere gezählt. Davon sind heute 8.700 übrig. Eine Unterart der Nordgiraffe ist im Niger sogar auf eine Population von 450 Tieren geschrumpft – was, wie Maike Grunwald in ihrer Giraffenreportage (Natur, 4/17) berichtet, als Erfolg eines strengen Schutzprogramms gelte, denn 2008 habe der Bestand mit 50 schon vor dem Erlöschen gestanden.

Diese Rettungsaktion ist für Fennessy ein Lichtblick in seinem Kampf für den Schutz der „rätselhaften Tiere“, deren Lebensräume überall durch Kriege bedroht, durch die Ansprüche einer rapide wachsenden Bevölkerung zerstört werden und die nicht selten in Fallen enden, weil ihr Fleisch begehrt ist oder ihr Rückenmark, wie in Tansania, als Wundermittel gegen Aids gilt. 

Aktuelle Berichte der Giraffe Conservation Foundation (GCF):  giraffeconservation.org