© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/17 / 16. Juni 2017

Hitlers Antisemitismus: Unabhängig von „realen Berührungen“
Nur ein freundlicher Mieter
(ob)

Schon Brigitte Hamann war in ihrer Pionierstudie „Hitlers Wien“ (1996) aufgefallen, daß von einer frühen Judenfeindschaft des späteren „Führers und Reichskanzlers“ nicht die Rede sein kann. Neuere Biographien wie die von Volker Ullrich (2013) und Wolfgang Pyta (2015) haben diesen Befund mit weiteren Quellenzeugnissen untermauert, die dem jungen Adolf Hitler überaus gute Beziehungen zu jüdischen Kunsthändlern in Wien bescheinigen. Für die Zeit nach 1918 konnten sie allerdings vergleichbar „entspannte“ persönliche Kontakte nicht nachweisen. Diese Lücke glaubt nun der bayerische Landeshistoriker Paul Hoser geschlossen zu haben. In einer den sozialen Mikrokosmos, in dem sich Hitler während der Zeit seines politischen Aufstiegs während der Münchner „Kampfzeit“ bewegte, hell ausleuchtenden Untersuchung dokumentiert er dessen Wohnverhältnisse als Untermieter in der Thierschstraße 41 (Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 2/2017). Obwohl Hitler gewußt habe, daß das Haus einen jüdischen Eigentümer hatte, sei er ihm fast zehn Jahre lang freundlich begegnet, wie dieser nach 1945 zu Protokoll gab. Hoser folgert daraus, Hitlers Antisemitimus sei unabhängig von „realen Berührungen“ entstanden, denn er habe sich nicht auf Sachverhalte bezogen, sondern sei Ausgeburt „reiner Phantasie“ gewesen. 


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